Feinste Projektarbeit sechsfach ans Licht gebracht
Es war Zeit, all das, was vor eineinhalb Jahren nur ein Plan, Entwurf oder ein vages Vorhaben war, „ans Licht“ zu bringen: Die Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe des Gymnasiums bei St. Stephan präsentierten die Ergebnisse ihrer P‑Seminare. Und so vielfältig die Talente der Heranwachsenden sind, so vielfältig waren die Erträge der Seminare, die von Lehrfilmen für das Fach Biologie über die Edition der Augsburger Stadtrechts-Urkunde von 1156, der Organisation eines Holocaust-Gedenktages, die Erstellung eines historischen Podcasts und eines mathematischen Stadtrundgangs bis hin zur Gestaltung eines Philosophie-Workshops reichten.
Eltern, Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrer, externe Partner und weitere Interessierte hatten am alljährlichen Präsentationsabend Gelegenheit sich von der Breite und Tiefe schulischen Arbeitens einen Eindruck zu verschaffen. Nach kurzer, humorvoller Vorstellung der Seminare in der Aula des Neubaus des Gymnasiums bei St. Stephan öffneten die Projekt-Seminare ihre Türen:
„Die perfekte Lösung“, um sich auf eine Abfrage im Fach Biologie vorzubereiten bzw. um dessen Grundwissen nachhaltig zu vermitteln, dieses Versprechen wollten die Schülerinnen und Schüler des Biologie-P-Seminars einlösen. Unter Leitung von Biologie-Lehrer Tilmann Abele gestalteten sie deshalb rund 20 computeranimierte Filme, die auf dem Youtube-Kanal der Schule bald zu sehen sein werden und in denen Grundwissen aus den Fächern „Natur und Technik“ und Biologie von der 5. bis zur 10 Jahrgangsstufe schülernah erklärt wird.
Dem Leben auf der Spur zu sein, das im alten Pergament sich verbergen mag, und der „trockenen Juristensprache“ des Mittelalters einen „Bezug zur Gegenwart“ zu entlocken, dies hatte sich das Latein-P-Seminar „Von der Urkunde zum Buch – Das Augsburger Stadtrecht von 1156“ vorgenommen. Mit ihrer Edition des ersten Augsburger Stadtrechts, d. h. der ersten eigenständigen Veröffentlichung der Urkunde, die als eine der ältesten Niederschriften eines Stadtrechts in Deutschland gilt, betraten die Schülerinnen und Schüler unter Begleitung von Prof. Dr. Christoph Becker, Rechtshistoriker der Universität Augsburg, und Lateinlehrer Matthias Ferber neue Räume: Für die Übersetzung und Kommentierung der Urkunde, die das Leben der Bürger der Stadt Augsburg im 12. Jahrhundert regelte, erschlossen sie sich mittelalterliches Latein, gewannen Einblicke in die Archiv-Arbeit sowie in die schrittweise Entstehung eines Buches von der ersten Idee bis zur Drucklegung. Im Frühjahr 2020 wird der Band in der wissenschaftlichen Reihe „Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte“ erscheinen.
Ebenso handlungsorientiert gingen die Schülerinnen und Schüler des P‑Seminars Geschichte unter der Leitung von Geschichtslehrerin Melanie Jahn zu Werke: Sie organisierten unter dem Motto „Zeichen setzen“ für den 27. Januar einen Holocaust-Gedenktag am Gymnasium für ihre Mitschüler, indem sie u. a. Klassen mittels kurzen altersgemäßen Erzählungen oder mittels Durchsagen für das Erinnern an die Verfolgung der europäischen Juden sensibilisierten. Dem Seminar gelang es zudem, die Erinnerung an Wolfgang Bernheim, einen ehemaligen jüdischen Schüler des Gymnasiums bei St. Stephan, der von den Nationalsozialisten 1942 ermordet worden war, ins Bewusstsein zu heben. Der Augsburger Michael Bernheim hatte das Seminar dabei unterstützt, Hörtracks zu erstellen, in denen u. a. die Geschichte seines Onkels dargestellt wird.
Das P‑Seminar „Augsburg hoch zehn – Stadtgeschichte für Jugendliche“ unter der Leitung von Deutschlehrerin Andrea Weiland widmete sich der Frage, wie historisches Wissen altersgemäß und interessant an Kinder und Jugendliche vermittelt werden kann. Entstanden ist hierbei der „Aux history channel“, ein Podcast von Schülern für Schüler, der beim Streamingdienst „SoundCloud“ abgerufen werden kann: In historischen Längsschnitten erzählen die Tracks von der Bedeutung des „Wassers in Augsburg“, vom Judentum, dem Krieg, der Kultur sowie von historischen „Anekdoten“ in der Stadt. Kooperationspartner des P‑Seminars war das Haus der Bayerischen Geschichte, in dessen Mediathek auch Teile der Podcasts übernommen werden.
Wie hoch darf ein Lastwagen sein, der durch das Augsburger Jakobertor fahren möchte, dessen Torbogen ab zwei Metern Höhe mit der angenommenen Parabel f(x)“-0,5x2+4 beschrieben werden kann? Solche und ähnliche mathematische Knobelaufgaben hatte das P‑Seminar Mathematik unter Leitung von Sabine Kronfeldt in Form eines „Mathematischen Stadtrundgangs in Augsburg“ für Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe gestaltet, um deren Freude an der Mathematik zu fördern. Mit Hilfe von astronomischen Geräten zur Strecken- und Winkelmessung, wie u. a. dem Jakobsstab, führten die P‑Seminaristen ihre jüngeren Mitschüler durch Augsburg und ließen sie Umfänge, Flächen oder Höhen spielerisch ermessen bzw. errechnen. Als Flyer liegt der „Mathematische Stadtrundgang“ nun auch für künftige Schulklassen vor.
Was bedeuten Freiheit, Glück oder der Tod für das menschliche Leben? Inwiefern sind Realität und Zukunft von unserem Standpunkt im Hier und Jetzt fass- bzw. beschreibbar? Gibt es einen Sinn des Lebens? Und wenn ja, wie viele? Solche und ähnliche Fragen stellte das P‑Seminar Ethik unter dem Motto „Werkstatt Philosophie“ den Schülerinnen und Schülern der 10. Jahrgangsstufe des Gymnasiums bei St. Stephan in Form von Workshops. Einen Tag lang konnten die 10-Klässler, nachdem sie die Themen langfristig dem P‑Seminar vorgeschlagen hatten, sich diesen Fragen unter der Anleitung der P‑Seminaristen widmen, die einen Philosophievormittag fachlich und methodisch abwechslungsreich vorbereitet hatten. Unterstützung hatte das P‑Seminar unter Leitung von Ethik-Lehrerin Anja Reichelt während der Vorbereitung von Philosophie-Studenten der Universität Augsburg. Die kontroversen Ergebnisse der Workshops stellte das P‑Seminar Ethik am Abend „Projekte ans Licht“ vor.
Mag das 8‑jährige Gymnasium in den vergangenen Jahren, so Bernhard Stegmann in der Begrüßung, auch „arg in der Kritik gewesen sein.“ Die Einführung der P- und W‑Seminare sei eine „Erfolgsstory“, weshalb sie auch zu Recht im neuen 9‑jährigen Gymnasium fortgeführt würden. Der Abend „Projekte ans Licht“ am Gymnasium bei St. Stephan gab davon einen überzeugenden Eindruck.