Wach, akribisch, kritisch – und landespreiswürdig
Manchmal findet eine Aufgabe denjenigen, auf den sie einfach zugeschnitten ist: Es war nicht abzusehen, zu welchem Ergebnis die Schülerinnen und Schüler des W‑Seminars „Entnazifizierung nach Spruchkammerakten“ im Herbst 2020 kommen sollten, als sie „ihren Fall“ anhand einschlägiger historischer Literatur zur NS-Geschichte Augsburgs wählten. Auch Maximilian Schäffer, Abiturient des Gymnasiums bei St. Stephan des Jahres 2022, wählte sich einen Augsburger Juristen, der am Amtsgericht Augsburg ab 1936 tätig gewesen ist. Zufällig handelte es sich dabei um einen Absolventen des Gymnasiums bei St. Stephan. Dessen Lebensweg und Entnazifizierungsverfahren erforschte der Abiturient äußerst akribisch und kritisch.
Für seine W‑Seminararbeit ist Maximilian Schäffer nun mit zwei Preisen ausgezeichnet worden: dem Wissenschaftspreis Augsburger Schulen und dem Landessieger-Abiturientenpreis des Bayerischen Clubs. Diese Vereinigung sieht sich der sich der Förderung der bayerischen Identität, Kultur und Tradition verpflichtet. Der Preis als Landessieger ist eine der höchsten Auszeichnungen, die einer Schülerarbeit zu Teil werden kann.
Bei der Preisverleihung im Senatssaal des Bayerischen Landtages in München würdigten deshalb die Laudatoren die Sieger und Siegerinnen der bayerischen Bezirke. Landtagspräsidentin Ilse Aigner lobte den Biss, die Kreativität und die Beharrlichkeit der ausgezeichneten Abiturientinnen und Abiturienten und appellierte: „Machen Sie weiter so!“ Denn die Demokratie lebe von dem Engagement ihrer Mitglieder. Der bayerische Kultusminister Dr. Michael Piazolo betonte, die exzellenten Arbeiten seien Ausdruck des „Bildungsreichtums“ gymnasialer Bildung in Bayern.
Stephan Mayer, Chefreporter des Bayerischen Rundfunks und Präsident des Bayerischen Clubs stellte Maximilian Schäffers Arbeit vor. Kritsch habe dieser ein Stück Zeitgeschichte erfasst, als er den Werdegang des Augsburger Juristen zur Zeit des Dritten Reiches und in der BRD ausgeleuchtete. Möglich wurde dies durch intensive Forschung: Weitsichtig und geduldig recherchierte Maximilian Schäffer hierfür in Archiven, wie unter anderem dem Staatsarchiv Augsburg, dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv München oder dem Bundesarchiv in Berlin und Freiburg. Unermüdlich blieb er auf der Suche nach Quellen, um die Spruchkammerakte der Nachkriegszeit mit anderen Akten kritisch zu vergleichen, die Licht in das Schaffen des Augsburger Juristen zur NS-Zeit bringen konnten.
So gelang es, das Bild eines begabten Juristen zu entwerfen, der auch aufgrund von NS-Mitgliedschaften in Augsburg Karriere machte und über viele Jahre Träger des NS-Systems war. So war der Jurist etwa auch in der Referendarsausbildung am Amtsgericht Augsburg tätig, wofür berufsbildende Fahrten in das Konzentrationslager Dachau oder in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren unternommen wurden. Gerade seine unermüdliche Recherché, u. a. im Archiv der eigenen Schule – zufällig war der gewählte Jurist ein Absolvent des Gymnasiums bei St. Stephan – , ermöglichte es Maximilian Schäffer, bei Darstellung und Reflexion der Entnazifizierung ein kritisches Bild des Richters zu entwerfen: Nach 1945 setzte er seine beruflichen Kenntnisse und die eidesstattliche Erklärungen anderer Juristen sowie von Absolventen des Gymnasiums bei St. Stephan, von „Stephanern“ unterschiedlicher Jahrgänge, vorteilhaft für sich ein, um eine möglichst schnelle Rehabilitierung zu erlangen und um in der Nachkriegsgesellschaft Bayerns als möglichst unbelasteter Jurist am Landgericht Aschaffenburg ab 1950 wieder tätig werden zu können. All dies reflektierte Maximilian Schäffer umsichtig und kritisch.
Und hier schließt sich der Kreis nun wieder, möchte doch der Abiturient jetzt selbst Jurist werden. Das Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat er gerade begonnen. Mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die sich in ihrer Rede an die Ausgezeichneten wandte, bleibt zu sagen: „Machen Sie etwas daraus!“