Hochkarätige sakrale Kunst auf dem Freisinger Domberg
Zum sommerlichen Ausflug lud der Verein der Freunde und Förderer des Gymnasiums bei St. Stephan in diesem Jahr nach Freising ein. Die Erfahrungen der letzten Jahre führten zu einem Versuch unter geänderten Bedingungen: An- und Rückfahrt erfolgten individuell, das halbtägige Programm bot „Module“, die je nach persönlichem Belieben wahrgenommen werden konnten.
Das in neunjähriger Arbeit (davon vier Jahre Bauzeit) vollkommen neu gestaltete und im Oktober 2022 wieder eröffnete Diözesanmuseum war Treffpunkt und zentraler Teil des Programms. Knapp 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich schließlich im weiten Lichthof des Museums ein. Auch wenn die Zahl nicht überwältigte, sie war doch auch positive Rahmenbedingung für die geführte Besichtigung. Mit Dr. Carmen Roll, der stellvertretenden Direktorin und wissenschaftlichen Kuratorin des Museums hatte der Vorstand des Fördervereins eine äußerst kompetente und dialogbereite Führerin gewinnen können, die dem Teilnehmerkreis die gelungene räumliche Konzeption der Neugestaltung ebenso wie den „roten Faden“ der Schausammlung zu erschließen wusste.
Der vollkommene Verlust der Tiefenwahrnehmung
Erster Höhepunkt war die exklusive Möglichkeit zum Besuch der Rauminstallation, die der amerikanische Land-Art-Künstler James Turrell (*1943) in der ehemaligen Kapelle des Freisinger Knabenseminars geschaffen hat. Die raumübergreifende Lichtinstallation in Form eines sogenannten „Ganzfeldes“ lässt, so die Erläuterung, das Phänomen des vollkommenen Verlusts der Tiefenwahrnehmung erleben. So werden die Grenzen von Raum und Zeit scheinbar aufgelöst, neue innere Perspektiven geschaffen und meditative Situationen ausgelöst (siehe dazu). Der Besuch der Installation in der kleinen Gruppe vor der regulären Öffnungszeit ermöglichte ein sehr intensives, nachdrückliches Erlebnis.
Unter Bezugnahme auf die bedeutendste byzantinische Ikone in der Sammlung des Diözesanmuseums, eine in der Zeit um 1000 entstandene Kopie der in der Legende dem Evangelisten Lukas zugeschriebenen Marienikone, gab Turrell seiner Installation den Titel: A Chapel for Luke and his Scribe Lucius the Cyrene. „Lukasbild“ und Lichtinstallation liegen räumlich genau gegenüber in einer Sichtachse. Hier wird das Prinzip der durch die Umgestaltung „geöffneten Wände“ eindrucksvoll erkennbar: Durch- und Ausblicke ergeben besondere Bezüge und Sichtachsen bis hinein in die Umgebung des Museums.
Solche Bezüge und die – von frühchristlicher Zeit bis hinein ins 21. Jahrhundert – fast zwei Jahrtausende umfassenden Exponate erläuterte Frau Dr. Roll beim Rundgang in fundierter, gleichzeitig kurzweiliger Art. Die Exponate werden unter Verzicht auf Epocheneinteilungen nicht chronologisch präsentiert, sondern dem „Roten Faden“ eines kulturhistorisch-anthropologischen Konzepts folgend: Die großen Fragen des Lebens, die Fragen nach dem Woher und Wohin, nach Sinn und Ziel, nach Orientierung bilden das Zentrum des Konzepts, Themen wie die „Menschwerdung / Geburt“, „Verlorenes Paradies / Sehnsucht nach Erlösung“, „Passion / Leiden“, „Tod und Auferstehung“, „Maria“ (und das Frauenbild) oder auch „Bild und Kult“ werden aufgegriffen, stets auch mit Blick auf Jesus von Nazareth und seine Botschaft, sein Leben sowie den Versuch, seine Ideale in Leben und Welt umzusetzen. Alltags- und Kultgegenstände, aber auch Werke bedeutender Meister der süddeutschen Spätgotik (z. B. Erasmus Grasser, Jan Polack und Gabriel Angler), der Renaissance (z. B. Lucas Cranach) und Künstler aus Barock und Rokoko (u. a. Ignaz Günther, Johann Baptist Straub, die Gebrüder Asam) machen die Themen konkret erkennbar.
Entspannter Ausklang auf der Sonnenterrasse
Nach der Führung nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die willkommene Pause je nach Bedürfnissen zu Plaudereien in der Freisinger Fußgängerzone bei Kaffee, Kuchen und Eis (das Museumscafe war wegen der Vernissage einer weiteren Sonderausstellung geschlossen ), zum Besuch der Sonderausstellung „Verdammte Lust. Kirche.Körper.Kunst“ oder zur Besichtigung des Freisinger Doms.
Ein gemeinsames Abendessen im Restaurant DIMU im Museum bot abschließend die Gelegenheit zur Stärkung und zu netten Gesprächen, bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre individuelle Heimfahrt antraten.
Allen, die nicht dabei sein konnten, sei ein Besuch des Diözesanmuseums Freising sehr empfohlen, vielleicht auch zur großen Landesausstellung „Tassilo, Korbinian und der Bär. Bayern und Freising um 724“ anlässlich des 1300-jährigen Bistumsjubiläums im Jahr 2024.