„Ich will auch fliegen lernen!“
Am 11. und 12. Juni 2024 war es so weit: Die Theatergruppe der Mittelstufe, geleitet von Markus Müller, war bereit, ihr gespanntes Publikum auf eine verlockende Reise mitzunehmen.
Auf dem Programm stand „Peter Pan“ in der Bühnenbearbeitung des berühmten Stoffs durch seinen Autor James Matthew Barrie: sieben lebendige Bilder, die durch eingeschobene Erzählpassagen verbunden wurden.
Also: Platz nehmen, Licht aus und los? – Nein, ganz so einfach war es nicht. Bevor die Reise nach Nimmerland beginnen konnte, sollte das Publikum auf ausgeteilten Zetteln seine eigenen Gedanken zu den Themen „Kindheit“ und „Erwachsensein“ zu Papier bringen. Man durfte gespannt sein, was es damit noch auf sich haben würde …
Als das Stück losging, gelang es den Schauspielerinnen und Schauspielern sofort, das Publikum in den Bann der Geschichte zu ziehen. Sie stellten von Anfang an ihr großes schauspielerisches Können unter Beweis. Kulissen und Requisiten waren dabei gar nicht notwendig, das erledigten die Mädchen und Jungen auf der Bühne allein mit ihrer Gestik, und zwar äußerst geschickt und natürlich.
Wendy und ihre Brüder wurden also von den Eltern zu Bett gebracht, damit letztere endlich ausgehen konnten. Und dann kam schon, auf der Suche nach seinem verlorenen Schatten, der freche Peter Pan, begleitet von seiner treuen, stets eifersüchtigen Fee Tinker Bell. Anstatt zu sprechen, bimmelte diese – meist mehr oder weniger erzürnt – mit ihrem Glöckchen oder schaute einfach nur herrlich grimmig drein.
Mit seiner forschen Art brachte Peter die Geschwister schnell dazu, mit ihm zur Insel Nimmerland zu fliegen – das Land der ewigen Kindheit. Und das Publikum flog selbstverständlich mit …
Auf Nimmerland angekommen, wurde Wendy von einer anderen Schauspielerin verkörpert. Was ursprünglich den pragmatischen Hintergrund hatte, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler eine Rolle bekommen sollten, half dem Publikum, Wendys neue Stellung im Nimmerland zu verstehen: Ab jetzt nahm sie gegenüber den „verlorenen Jungen“, wie die Bewohner Nimmerlands genannt werden, die Mutterrolle ein.
Wendy und ihre Geschwister verbrachten, zusammen mit den weiteren Bewohnern der Insel, eine fröhliche Zeit, wobei Captain Hook, der mit Peter noch eine Rechnung offen hatte, jedoch schnell dafür sorgte, dass es spannend und bedrohlich wurde … Naja, ganz so bedrohlich wurde es dann glücklicherweise doch nicht. Dafür sorgte Hooks trottelige Piratentruppe, insbesondere Hooks Gehilfe Smee, dessen Rolle dank der grandios verstellten Stimme der Schauspielerin gewaltig zum komischen Potential des Stücks beitrug. Anstatt – wie es sich für „ordentliche“ Piraten gehört – Angst einzuflößen, erntete Hooks Truppe viele Lacher. Für das indigene Mädchen Tiger Lilly wurde es zwar kurzzeitig brenzlig und auch Tinker Bell musste einmal Gift trinken, um Peter zu retten; da aber das Publikum glücklicherweise bewies, dass es an Feen glaubt, konnte Tinker Bell gerettet werden.
Dramatisch wurde es nochmals, als zwischen Peter und Wendy ein Streit entbrannte: Peter, der stur und trotzig darauf beharrte, ewig ein Kind zu bleiben, wollte nicht akzeptieren, dass die auf Nimmerland gereifte Wendy sich danach sehnte, zu ihren Eltern zurückzukehren. Hier gab es wieder einen Rollenwechsel: Peter wurde von nun an von einem anderen Schauspieler verkörpert, was dem Publikum half, zu verstehen, dass Wendy sich von diesem nun mitunter impulsiven und aufgrund seines Wesens nicht entwicklungsfähigen Peter, distanzieren muss.
Zu Hause wurden die Kinder – zumindest von ihrer Mutter, die die Hoffnung, ihre Kinder wiederzusehen, nie aufgegeben hatte – herzlich empfangen. Der Vater zeigte sich als erstaunlich kalt und herzlos und erklärte seiner Gattin sogar, dass sie von der Abwesenheit der Kinder doch nur profitiert hätten. Wendy wurde nun wieder von ihrer ursprünglichen Schauspielerin verkörpert, was den Eindruck verstärkte, dass sie sich mit ihrem „normalen“ Leben und all dem, was es bringen mochte, abgefunden hatte. Ende gut, alles gut.
Aber da waren doch noch diese Zettel aus dem Publikum ….
Nachdem in einer früheren Szene die Schauspielerinnen und Schauspieler schon ausgewählte Beiträge über die Vorteile des Kindseins vorgelesen hatten, stellte sich am Ende des Stücks noch einmal eine nachdenkliche Stimmung ein, als eine Auswahl aus den Publikumsbeiträgen zum Thema „Erwachsensein“ vorgetragen wurde. Die versöhnliche Botschaft, die das Publikum nach der vielschichtigen Inszenierung eines alten, aber zeitlosen Kinderklassikers mit nach Hause nahm: Es ist gar nicht so schlimm, erwachsen zu werden, wenn man davor seine Kindheit bewusst erlebt hat.
Gerade in unserer Zeit mit all ihren Unwägbarkeiten war dies ein kleiner Trost, mit dem das altersmäßig bunt gemischte Publikum nach Hause gehen konnte. Ein wirklich gelungener, kurzweiliger Theaterabend für Groß und Klein!