Auf großer Kinoleinwand: „Pandora” im „Liliom”
Am 13. März 2024 war es so weit: Das Projekt-Seminar „Antiker Mythos im Figurentheater“ hatte ins Kino Liliom geladen, um den Film „Das Feuer der Pandora. Ein Puppenspiel-Film nach antikem Mythos“ auf großer Leinwand zu zeigen. Der Film ist das Produkt der eineinhalb Jahre dauernden Projekt-Arbeit des Seminars mit 16 Schülerinnen und Schülern, das von Matthias Ferber betreut wurde und mit der Augsburger Puppenkiste kooperierte.
Ziel des Projektes war es, den antiken Pandora-Mythos in einem Figurentheaterstück darzustellen, das gleichzeitig verfilmt wurde. Der Mythos der Pandora, der maßgeblich vom frühgriechischen Dichter Hesiod überliefert wurde, ließe sich rasch nacherzählen: Der Göttervater Zeus ist erbost, da Prometheus den Menschen, seinen Schützlingen, das Feuer gebracht hat, das ihnen der Olympier eigentlich vorenthalten wollte. Aus Rache lässt Zeus vom Schmiedegott Hephaistos ein hübsches Mädchen aus Lehm erschaffen, Pandora („Pan-dora“, die „All-gebende“).
Dieses gewissermaßen trojanische Pferd, das sämtliche Übel der Welt in einer Büchse beisammenhält – die selbstredend geschlossen bleiben sollte, um eine Ausbreitung der Übel zu verhindern – muss unter die Menschen gebracht werden. Pro-metheus selbst ist als der Voraus-Denkende als Empfänger dieses göttlichen Geschenks ungeeignet, wohingegen sein Bruder Epi-metheus als Nachher-Denkender der geeignete Adressat ist. Trotz der Warnungen seines Bruders nimmt Epimetheus Zeus’ vermeintlich so liebreizendes Geschenk an und die Übel und weitere unheilvolle Plagen breiten sich nach Öffnung der Büchse auf der Welt aus.
Der Filmvorstellung ging eine inhaltsreiche Einführung ins Thema voran, die von Moritz Blank aus dem Projektteam moderiert wurde. In Form von Interviews mit den verschiedenen Beteiligten erhielten die Zuschauer Einblicke in die Arbeiten, die dem Dreh des Films vorangegangen waren, und in die Produktion des Films selbst, die Valentin Wohlfarth, ein Altstephaner, von valwo media übernommen hatte. Nach der Auswahl des Stoffes, dem Mythos der Pandora, wurde die Geschichte in ein Drehbuch verwandelt, in das die beiden Autoren auch Bezüge in die aktuelle Zeit aufnahmen: Denn zur Geschichte des Feuers bei den Menschen gehören mittlerweile auch Themen wie Energieversorgung, Luftverschmutzung und Klimakrise.
Für die Herstellung der Puppen war mit Florian Moch von der Augsburger Puppenkiste ein externer Partner gefunden, der mit großem Engagement und viel Einfühlungskraft den Schülern in der hauseigenen Werkstatt die verschiedenen Typen an Puppen vorstellte und sie vor Ort die Puppen der Darsteller des Theaterstücks entwerfen und bauen ließ. An vielen Punkten des Entstehungsprozesses begleitete er das „Pandora”-Team auch vor Ort in St. Stephan.
Die Schüler hatten sich für eine Marionette, die mit Pandora die Hauptrolle verkörperte, und sechs herrliche Klappmaulpuppen entschieden, die die Götter sowie Prometheus und seinen Bruder Epimetheus verkörperten. Ein paar Stabpuppen waren für die Nebendarsteller vorgesehen. Die „Körper“ von Marionette und Klappmaulpuppen benötigten natürlich auch Frisuren sowie Kleidung, die im Wesentlichen von einer Schülerin entworfen und geschneidert wurde. Zu diesem Zweck hatten die Schüler diverse zuhause befindliche Kurzwaren zusammengetragen, die dann als Bekleidung von Pandora und den weiteren Darstellern Verwendung fanden. Der Bau der Kulissen, beispielsweise der Olymp mit dem Thron des Göttervaters Zeus oder das Haus des Epimetheus, und die Gestaltung der Requisiten oblagen einer weiteren Gruppe. Die Komposition sowie Herstellung der Filmmusik war ein weiteres großes Aufgabenfeld, in das für die Aufnahmen der diversen Motive und Sequenzen auch Schüler außerhalb des P‑Seminars herangezogen wurden.
Die Filmaufnahmen und Tonaufnahmen der Sprechparts der einzelnen Figuren nahmen drei prall gefüllte Drehtage in den Großen Ferien und mehrere Mikrofon-Tage in Anspruch. Doch mit all den Vorbereitungen und Aufnahmen war es nicht getan, die Videoaufnahmen sowie die Aufnahmen der Tonspur und der Filmmusik mussten in tagelanger Arbeit zusammengefügt und geschnitten werden. Dabei wurden neben den eigentlichen Filmaufnahmen zur Untermauerung der Geschichte an einigen Stellen moderne Fotos eingefügt, beispielsweise von Dürre- oder Hitzekatastrophen, den modernen Übeln unserer Zeit. Valentin Wohlfarth nannte im Interview eine eindrückliche Zahl für den Zeitaufwand, der ausschließlich mit dem Schneiden des Filmmaterials einhergeht: Für eine Filmminute wird rund eine Arbeitsstunde benötigt.
Die Interviews mit Vertretern der einzelnen Arbeitsgruppen, die zum Gesamtprojekt beigetragen hatten, verdeutlichten die Vielseitigkeit und Spannung all dieser Einzelschritte, brachten aber gleichzeitig auch Einblicke in den enormen zeitlichen Aufwand, den die Schüler investiert haben und der in einem mit 45 Minuten Länge auf den ersten Blick „überschaubaren“ Produkt steckt.
Nach einem Dank der Schüler an alle kooperierenden und leitenden Personen folgte die Vorführung ihres Puppenspiel-Films „Das Feuer der Pandora“ in Kino-Atmosphäre. Der Film bettet den antiken Pandora-Mythos wunderbar durch seine Anspielungen auf aktuelle und moderne Themen in die Gegenwart ein, wobei die modernen Elemente die Erzählung des antiken Mythos keineswegs überwiegen, sondern die eigentliche Geschichte im Zentrum lassen. Die Darstellung der Charaktere, beispielsweise eines stets im wahrsten Wortsinn zerknautscht aussehenden Göttervaters Zeus (die Köpfe der Klappmaulpuppen wurden aus alten, zur Entsorgung vorgesehenen Weichbodenmatten herausgeschnitten) ist hervorragend gelungen, wozu auch ihre gesprochenen Parts und die Sprechweise der jeweiligen Synchronsprecher zählen. Die fein temperierte Filmmusik unterstreicht das Dargestellte atmosphärisch stets passend.
Summa summarum ist an erster Stelle den Schülern, aber auch den übrigen Verantwortlichen ein Puppenspiel bzw. Film geglückt, der die Vielseitigkeit der an St. Stephan gebotenen Möglichkeiten widerspiegelt, die sich weit über die Teilung in humanistischen und musischen Zweig – in diesem Seminar wieder einmal harmonisch kombiniert – hinaus erstreckt.