Aufbruch im Schutz der Verbundenheit
89 Schülerinnen und Schüler waren angetreten – und 89 erhielten am 30. Juni ihr Abiturzeugnis ausgehändigt. Der Abiturjahrgang 2017 konnte somit als „hundertprozentiger” Jahrgang ein fröhliches und dankbares Fest im Rahmen der Zeugnisübergabe feiern.
Der ökumenische Gottesdienst zum Beginn des Tages stand mit einer Exodus-Lesung und Gedanken zum „homo viator” im Zeichen des Aufbruches. Sonnenblumen, die in Schilfgrasvasen eingesteckt wurden, begleiteten die Fürbitten. Zuletzt segnete, umrahmt von Gospels des Schulchores, Abt Theodor zusammen mit Pfarrer Bernhard Sokol die Absolventen. Nach dem unerlässlichen Jahrgangsfoto für die Geschichtsbücher und Chroniken begann die Verabschiedungsfeier in der strahlenden Atmosphäre des Kleinen Goldenen Saales: Musikstücke durchsetzten die Grußworte und Reden, unter denen die Goldene Absolvia von 1967 mit ihrem Sprecher Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler begann.
Der ehemalige Finanzstaatssekretär, Präsident der Bayerischen Landesbank und Vizepräsident der Bundesbank bezog in kluger Weise die Begegnung mit dem Redner der Goldenen Absolvia bei seiner Abiturentlassung ein und zog damit den Bogen bis ins Jahr 1917. Sein Hauptaugenmerk galt der Zeitbeschreibung von heute: Die Wandlung des homo sapiens in den homo digitalis bringe – wie man ja wisse – viele Gefahren: fake news und Manipulationen von innen. Gebildete und humanistisch geprägte Menschen seien diesen Herausforderungen gewachsen, denen man mit der Gabe des Unterscheidungsvermögens (der „discretio”) entgegentrete. Wer schon bei den antiken Sophisten die Umwertung der Werte, die Schlagkraft der „alternative facts” durchleuchtet habe („Die schwächere Sache zur stärkeren machen” – ton hetto logon kreitto poiein), der könne auch unserer Zeit mit echtem Herzensoptimismus begegnen. Was Herzensoptimismus ist, erzählte er in einer Anekdote: Der 88-Jährige kauft sich beim Autohändler in seinem Dorf ein neues Fahrzeug. Das werde dann schon sein letzter Autokauf sein, meint der Händler. „Was?”, erwidert der rüstige Senior: „Macht’s ihr etwa euren Betrieb zu?”
P. Gregor Helms sprach für den Verein der Freunde und Förderer von St. Stephan und ermunterte die 89 Absolventen, die nun über Jahre „die Szene St. Stephans geprägt haben”, auch weiterhin bei der Prägung der Schule und ihrer Entwicklung als Förderer dabei zu sein. Denn schließlich würden sie sich nun schlagartig von Stephanern in Altstephaner verwandeln.
Im Mittelpunkt der Feier stand die Rede von Schulleiter und Oberstudiendirektor Bernhard Stegmann, der in acht Kapiteln – parallel zu den acht Schuljahren im G8 – Blicke auf den Phönix und das Leitbild St. Stephans („Der Mensch im Mittelpunkt”) richtete. In einer bunten Mischung aus konkreten Szenen und deutenden Reflexionen machte er deutlich, wie aus Geschichten erst Geschichte wird – und ermunterte zum Erzählen und Weitersagen des Erlebten und Erfahrenen. Das Titelbild der Abiturzeitung 2017 mit dem schützenden Phönix über Kloster und Schule in stürmischen Zeiten bezog er ebenso ein wie den Phönix als Zeichen der angstfreien Veränderung. Er lieferte Zahlen (vom Gesamtabiturschnitt 2,28 bis zur „sehr gut”-Quote von 12% oder der „1 vor dem Komma”-Quote von 25%), vor allem aber Geschichten zu Menschen: Die Absolventin, die ihrem Lehrer das Zuspätkommen damit erklärte, sie habe noch dringend mit Herrn Stegmann sprechen müssen – der seinereits saß schon seit über zehn Minuten zur Unterrichtsvisitation just in diesem Klassenzimmer. Oder die ersten Begegnungen mit den Schülerinnen und Schülern der Hochbegabtenklassen, die im Jahr 2009 mit dem nun zu verabschiedenden Jahrgang gestartet waren. Da provozierte einer auf dem Pausenhof: „Sag mal was Gescheites, du Hochbegabte!” Das Modellklassenmädchen entgegnete: „Wenn ich dir das Gescheite jetzt erkläre, kapierst du es eh’ nicht!”
Bernhard Stegmann fasste seine acht Schlaglichter in einem am Phönix des Schulwappens orientierten Gedanken für die Abiturienten zusammen: „Veränderung ist unvermeidlich nach dem Abitur. Brechen Sie auf, sich zu verändern – damit Sie nicht verändert werden.”
Im Rahmen der zentralen Zeugnisverleihung wurde jede und jeder Absolvent namentlich aufgerufen und erhielt Applaus, Zeugnis und ein individuelles „Schulleitergespräch”. Anschließend wurden noch besondere Leistungen mit Urkunden und Gaben geehrt, und zwar in Griechisch, Latein, Mathematik und Physik. Das Projektseminar Geschichte „Bier in Augsburg” mit seiner Leiterin Monika Kapfer erhielt einen Anerkennungspreis des Kultusministeriums.
Der Sozialpreis des Fördervereins ging an Thassilo Weiss. Elternbeiratsvorsitzende Christine Sommer erläuterte den Preis (für Verantwortung, Einsatz für andere und Mitgestaltung des Schullebens) und würdigte Thassilos Einsatz in der SMV und besonders bei der Etablierung des Sportangebotes für Flüchtlingskinder unter den Stichworten „Vielfältigkeit” und „Blick über den Tellerrand der Schule hinaus”. Freudestrahlend nahm der Gewürdigte den Preis in Empfang.
In der Rede der Abiturienten sprach Liam Wiedemann für seinen Jahrgang. Er betonte in anregenden Bildern die Verschiedenheit der Abiturienten in Fragen der Zukunftsgestaltung (zwischen sicher und mutig, zwischen schnell und bedächtig) und formulierte den „Mehrwert” der gymnasialen Bildung an St. Stephan in der Begriffsreihe „Menschlichkeit, Toleranz, Respekt und Geduld”. Der Jugend schrieb er eine Fülle an Chancen zu und meinte: „Jetzt liegt es erstmals in unserer Hand, ans gewünschte Ziel zu kommen.”
Für die Eltern sprach Birgit Bretthauer und betonte, dass der Fixstern „Schule”, um den so lange alles gekreist sei, nun seine Bindung aufhebe, die Fliehkräfte könnten wirken und neue, gerne auch überraschende und ungeahnte Fixsterne ins Planetensystem des Lebens eintreten.
Das Fest endete mit einem Empfang im Neubau der Schule, wo reiche Begegnungen und Gespräche zwischen Eltern, Absolventen und Lehrkräften die Verbundenheit untereinander und das dankbare Miteinander nochmals spürbar werden ließen.