Auslandsjahr in Ungarn: Eine Halbzeitbilanz
„Bisheriger Zeitraum: 14. August 2024 – 23. Februar 2025”, mit dieser Formel eröffnet Caroline Richter ihren Bericht aus Ungarn, wo sie mit der Organisation YFU („Youth For Understanding”) ein Auslandsjahr in einem musikalisch geprägten Austausch verbringt. Zur Halbzeit ihrer Zeit in Ungarn sendet sie uns einen Zwischenbericht und viele anregende fotografische Eindrücke, die wir hier gerne an unsere Leserinnen und Leser weitergeben wollen.
Bisheriger Zeitraum: 14. August 2024 – 23. Februar 2025
In den letzten Monaten durfte ich viele spannende Eindrücke sammeln, die ich in diesem kurzen Zwischenbericht gerne teile. Mittlerweile habe ich mich gut in Ungarn eingelebt und selbst mein anfängliches Heimweh ist verschwunden.
Der Start war allerdings nicht ganz einfach. Mit meiner ersten Gastfamilie gab es einige Schwierigkeiten, sodass ein glückliches Zusammenleben oft herausfordernd war. Kurz vor Weihnachten entschied ich mich daher für einen Wechsel, was mir die Möglichkeit bot, noch einmal ganz neu zu anzufangen. Seitdem geht es bergauf. Meine jetzige Gastfamilie ist unglaublich herzlich und unterstützend, sodass ich mich schnell wie zuhause fühlen konnte.
Gemeinsam haben wir schon vieles unternommen: von täglichen Spaziergängen mit dem Hund über Ausflüge in die Stadt bis hin zu Wanderungen im Mátra-Gebirge. Neben Konzertbesuchen und Kinoabenden bleiben mir auch die Regentage während der Winterferien schön in Erinnerung. Wenn das Wetter einmal zu ungemütlich ist, um draußen zu sein, vertreiben mein elfjähriger Gastbruder und ich uns gerne die Zeit mit Gesellschaftsspielen, Puzzeln, Pingpong im Keller oder einem guten Film.
Vom Google-Übersetzer zu „Langenscheidt Ungarisch”
Eine der größten Hürden für mich war zunächst die Sprache. Anfangs verstand ich noch kaum ein Wort und viele meiner Klassenkameraden haben sich nicht getraut, Englisch oder Deutsch mit mir zu sprechen. Unsere Gespräche liefen daher oft über Google- Übersetzer – was nicht immer ideal ist, vor allem weil die Handys jeden Morgen eingesammelt und erst nach Schulschluss zurückgegeben werden. Abends fühlte ich mich häufig wie ein kleiner, verlorener Fisch in einem viel zu großen Meer.
Um dem entgegenzuwirken, nutze ich inzwischen die Schulstunden, an denen ich weder aktiv noch passiv teilnehmen kann, z.B. Ungarisch, um mir mit dem Buch “Langenscheidt Ungarisch” die Sprache selbst besser beizubringen. Heute stelle ich deutliche Fortschritte fest. Auch wenn ich noch nicht fließend spreche, verstehe ich schon das meiste. Besonders hilfreich sind die alltäglichen Gespräche in der Schule und Zuhause sowie unsere Familienabende, an denen wir ungarische Filme schauen und Spiele wie Activity spielen. Dabei lerne ich nicht nur die Sprache, sondern auch viel über die Kultur und den Humor der Ungarn — vor allem, weil mein kleiner Gastbruder liebend gerne Witze erzählt.
Das „Szent István Király Zenemüvészeti Szakgimnázium”
Ein zentraler Bestandteil meines Auslandjahres ist meine Schule, das „Szent István Király Zenemüvészeti Szakgimnázium” (König St. Stephan Fachgymnasium für Musik), ein Gymnasium mit Musikschwerpunkt. Hier steht Allgemeinbildung im Hintergrund, denn der Fokus liegt ganz auf der Musik. Das macht sich zunächst am Schulgong bemerkbar, der zwischen Ausschnitten des Verdi Requiems und Händels Halleluja wechselt.
Neben den klassischen Fächern Mathematik, Geschichte, Ungarisch, Sport und Englisch bzw. Deutsch bietet die Schule auch Fächer wie Volkstanz und Hangkultúra an, ein Kurs, in dem es beispielsweise darum geht, wie man Musik am besten aufnimmt. Der Musikunterricht, der u. a. die Fächer Musiktheorie, Solfeggio und Musikliteratur umfasst, findet am Nachmittag zwischen 15 und 20 Uhr statt. Zusätzlich habe ich jede Woche zweimal Geigenunterricht, Streichorchester und einmal Klavierunterricht. Besonders spannend sind auch die Kammermusikstunden, in denen ich gemeinsam mit einem weiteren Geiger und einem Cembalisten, mithilfe eines Lehrers, intensiv an Stücken arbeite. Mein Geigenspiel hat sich in diesem halben Jahr bereits enorm verbessert, nicht zuletzt wegen meiner liebevollen Geigenlehrerin, die mich in schwierigen Momenten auch schon oft in den Arm genommen hat.
Aufgrund des langen Nachmittagsunterrichts bleibe ich oft bis in die späten Abendstunden in der Schule und komme erst spät heim. Seit dem Gastfamilien-Wechsel habe ich zudem einen Schulweg von rund einer Stunde. In den längeren Pausen zwischen den Stunden nutze ich die zahlreichen Übungsräume, um zu üben, oder unterhalte mich mit Mitschülern in der Mensa.
Stadt, Land, Volk – eine Kultur erkunden
An den Wochenenden treffe ich mich regelmäßig mit Freunden oder anderen Austauschschülern. Zusammen erkunden wir dann die Stadt, entdecken hübsche Café́s, gehen ins Kino oder probieren uns am Schlittschuhlaufen. YFU („Youth For Understanding”) Ungarn sorgt ebenfalls monatlich für ein abwechslungsreiches Programm. So gab es bisher unter anderem eine Schatzsuche in Budapest, eine stimmungsvolle Adventsfeier und einen Tagesausflug nach Wien. Im April steht der Besuch einer ungarischen Kleinstadt an.
Mein bisheriges Auslandsjahr hat mir gezeigt, wie bereichernd es sein kann, in einer neuen Familie und Kultur zu leben und deren Lebensweisen kennenzulernen. Besonders beeindruckt mich, mit welcher offenen Herzlichkeit die Menschen in Ungarn miteinander umgehen. Durch die vielen Erfahrungen und auch Herausforderungen konnte ich viel über mich selbst lernen und ich bin gespannt, welche weiteren Erlebnisse und Erkenntnisse diese Zeit noch für mich bereithält.
Herzliche Grüße aus Budapest
Caroline Richter