Bewegender Passionsabend: Karl Jenkins’ „Stabat Mater”
Es sind zwölf Stationen, auf denen der Weg durch das „Stabat Mater” von Karl Jenkins führt: Unter dem Kreuz, im unmittelbaren Schmerz der Mutter Maria, beginnt der Weg. Mit der Bitte, so wie Maria mitempfinden zu können, endet die musikalisch-meditative Reise. Dazwischen sind in Karl Jenkins’ „Oratorium” – in Ergänzung zum mittelalterlichen lateinischen Gedicht des „Stabat Mater” – weitere Gedanken eingebaut, die vom Schmerz, der Verlorenheit und dem Weinen Kunde geben.
Das 2008 uraufgeführte Werk des walisischen Komponisten boten Chor und Orchester von St. Stephan in zwei Aufführungen am vergangenen Donnerstag und Freitag. Insbesondere die Freitagsaufführung, die um 21.00 Uhr in der Pferseer Herz-Jesu-Kirche begann, war ein fulminantes Ausrufezeichen. Die Chor- wie die Orchesterregister waren durch Mitglieder des Lehrerkollegiums, der Elternschaft und durch ehemalige Stephanerinnen und Stephaner erweitert. Rund 150 Aktive unter Leitung von Ulrich Graba hatten vor und unter dem Goldbaldachin des Chorraumes in Herz Jesu Platz gefunden.
Was als Passionsstunde – ganz in der vorösterlichen Tradition St. Stephans – geplant war, wurde in der Ausnahmesituation dieses Jahres durch Aufhebung der starken Coronabeschränkungen für Musizierende und durch die bedrückenden Entwicklungen im Ukraine-Krieg zu einem großen Gemeinschaftswerk, das in zwei Benefizkonzerte mündete. Schulleiter Alexander Wolf führte in seinen Begrüßungsworten in den zentralen Charakter des „Stabat Mater” als Werk des Mitleidens ein und schälte heraus, welche Bedeutung die Musik hat, um Empathie und Gemeinschaftserfahrung zu stiften. Der gesamte Spendenerlös geht deshalb ausdrücklich an eine Hilfsorganisation, die sich um Kinder in nahezu allen Krisenregionen der Welt kümmert: „Save the Children”. Denn Leidtragende gibt es nicht nur dort, wo wir es gerade wahrnehmen. Die Wucht der Ohnmacht, von der Jenkins’ „Stabat Mater” erzählt, prägt so viele Orte der Welt.
Eine Stunde lang umfing Jenkins’ vielschichtige Musik den gewaltigen Raum der Herz-Jesu-Kirche, in dem über 500 Menschen zusammengeströmt waren. Die musikalische Ausgestaltung der zwölf Stationen verkörpert in sich eine globale Dimension: Neben imposante Chöre treten Solopartien einer klassischen Mezzosopranistin und einer „Ethno-Stimme” mit Klängen des arabisch-orientalischen Raumes. Tibelja Makko (Absolvia 2018) ist assyrischer Herkunft, meisterte die arabischen und aramäischen Passagen der Partitur in ergreifend-eindringlicher Weise und spannte einen weiten Bogen über Europa hinaus. Begleitet wurde sie dabei von einer Duduk, einer orientalischen Doppelrohrblatt-Flöte, gespielt von Klarinettenlehrer Thomas Nieberle.
Cordula Safferling, eine Kollegin aus der Lehrerschaft St. Stephans, gab dem Mezzosopran-Part weichen und einfühlsamen Tiefgang und gestaltete das Epizentrum des Oratoriums, die schlichte englische Zeile „And the Mother did weep” („Und die Mutter weinte.”), als Ankerpunkt der gesamten Golgotha-Erfahrung. Umbrandet waren diese emotional tiefgehenden Passagen von Jenkins’ gewaltig-imposanten Chorstücken, die mit wuchtigen Klangflächen, pochenden Patterns und geballter Instrumentierung an Filmmusik und hollywoodeske Gefühlswelten erinnern. Bläserbatterien mit Hörnern, Posaunen und Trompeten (darunter auch Schulleiter Alexander Wolf) sowie ein massiv gefordertes Schlagwerker-Team mit Pauken, Glocken und allen Arten von Trommeln zogen mächtige Klangwolken durch den halligen Raum von Herz Jesu. Der Schluss, das „Paradisi Gloria”, löst die Gefühlsamplituden in einem gewaltigen „Amen. Alleluja” und setzt zuletzt ein markantes Hoffnungszeichen.
Gastgeber in der Pfarrkirche Herz Jesu war Pfarrer Martin Gall (Absolvia 1998). Die Schirmherrschaft über das Konzert hatte Oberbürgermeisterin Eva Weber übernommen, die Landtagsabgeordneter und Stadtrat Andreas Jäckel (Absolvia 1984) vertrat. Karl Mühlberger vom Augsburger Pinus-Druck (Absolvia 1981) hatte den kostenlosen Druck der Programmhefte übernommen. In diesem starken Netz des Zusammenwirkens erbrachten die beiden Passionskonzerte einen Erlös von über 5.000,- €, der komplett dem Hilfswerk „Save the Children” zugehen wird.
Das Gymnasium bei St. Stephan richtet sich – insbesondere vor dem Hintergrund des Leitsatzes „Der Mensch im Mittelpunkt“ und der benediktinischen Tradition der Schule – seit fast 200 Jahren am Menschen und an der Unterstützung individueller Lebenschancen aus. Musik kann dabei Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen, aus verschiedensten Ländern und Kulturen einander näherbringen und Freundschaft und Respekt füreinander fördern. Das „Stabat Mater”-Projekt hat dafür ein bewegendes Signal gesetzt.