Dirk Reinhardt liest aus „Train Kids“
Stell dir vor, du bis 15 Jahre alt und lebst in Nicaragua, dein Vater hat die Familie verlassen und deine Mutter ist in die USA gezogen, um als Hausmädchen zu arbeiten. Nach zwei Jahren möchte sie mit einem kleinen erarbeiteten Vermögen zu dir und deinen Geschwistern zurückkehren. Nun ist sie schon seit drei Jahren weg und deine Sehnsucht nach ihr wird geradezu unerträglich. So machst du dich auf den überaus gefährlichen Weg von Nicaragua in das vermeintlich gelobte Land der Vereinigten Staaten. Dazu musst du quer durch Mexiko reisen und zwar wie viele andere Jugendliche auch auf den Dächern von Güterzügen.
Lebensberichte von illegalen Flüchtlingen als Grundlage des Romans
Dirk Reinhardt erzählt eingangs den aufmerksamen Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 8 von den prekären Lebensbedingungen vieler Jugendlicher in Nicaragua, El Salvador, Honduras oder Guatemala, die nur eine Chance für ihr Leben sehen, die Flucht in die Vereinigten Staaten von Amerika, zweieinhalbtausend Kilometer quer durch Mexiko als blinde Passagiere auf Güterzügen. Auf der Reise drohen ihnen Gefahren durch extreme Witterungsbedingungen, Diebe, korrupte Beamte oder Militärs und Razzien, denn die mexikanische Polizei ist klar darauf bedacht, die illegalen Jugendlichen wieder aus dem Land zu schaffen.
Reinhardt selbst ist vor einigen Jahren etwa 600 km dieser gefahrenträchtigen Bahnstrecke nachgefahren, hat mit sehr vielen Jugendlichen, die im Gebüsch der Bahnstrecke auf den nächsten Güterzug warteten, Gespräche über ihr Leben, ihre Herkunft, ihre Pläne geführt. Die Berichte dieser jungen Flüchtlinge stellen die Quelle für seinen hochdekorierten Jugendroman „Train Kids“ dar.
Eine Lesung, die berührt
Nach diesen grundlegenden, an sich schon berührenden Hintergrundinformationen liest Reinhardt drei unterschiedliche Szenen aus dem spannenden Roman vor. Zum einen erfährt man, wie der Ich-Erzähler Miguel und seine vier Freunde zum ersten Mal auf einen Güterzug springen. Im weiteren Verlauf ist man hautnah dabei, wie die Freunde in der Nacht in eine brutale Razzia gelangen, aus der sie sich nur mit Mühe befreien können. Dass den Jugendlichen aber auch Gutes widerfährt, hört man schließlich in dem Kapitel, in dem ein beherzter Padre ihnen Kirchenasyl gewährt.
Die aufwühlende Flüchtlingsgeschichte der fünf Jugendlichen zog auch unsere Schülerinnen und Schüler in ihren Bann. So erlebten wir ein anderes Kapitel in der globalen Fluchtbewegung, ein aktuelles Thema, das zum Nachdenken und Mitreden motiviert.