Entlassung der Absolvia 2019
„Gott ist tot, Karl Marx ist tot und ich selbst fühle mich auch nicht wohl!“ So charakterisierte der Historiker Prof. Karl-Joseph Hummel, der das Grußwort der goldenen Absolvia sprach, die Stimmung der Zeit, als er 1969 das Gymnasium bei St. Stephan mit dem Abiturzeugnis unter dem Arm verließ. Unsicher sei er gewesen, wo er als junger Mensch nach der sogenannten „Bildungskatastrophe der 68er“ künftig seinen Platz finden solle. Die Lösung dieser Aufgabe sei auch für die heutigen Absolventen eine Herausforderung angesichts einer Gegenwart, die für ein Bestehen in der Zukunft stets Wandel und Anpassung verlange. Um Zukunft gestalten zu können, müsse man laut Prof. Hummel nicht zuletzt in der Gesellschaft die Gerechtigkeit und im eigenen Dasein das Gleichgewicht achten.
Schule – ein Ort für die Zukunft
Die Gelegenheit „reinen Daseins“ sei selten, doch jetzt, in einer solchen Feierstunde, sei sie da und es gelte, sie zu genießen. In solchen Momenten erlebe man Knotenpunkte des Lebens, die Blicke auf den zurückgelegten, aber auch den zukünftigen Weg eröffneten. Dies betonte der stellvertretende Schulleiter P. Emmanuel Andres, der heuer die Rede zur Verabschiedung der Absolvia hielt. Beim Blick auf die Zukunft stelle sich nach dem bestandenen Abitur möglicherweise ein Gefühl von Entspannung und Freiheit ein, vielleicht aber auch Angst, wenn man etwa die Sorgen der „Fridays-for-Future-Bewegung“ betrachte. Doch Schule, die ja die Aufgabe habe, junge Menschen auf ihr Leben vorzubereiten, sei per se zukunftsbejahend. Die Frage müsse deshalb lauten, wie man heute Schule gestalten wolle. Aufgabe eines Gymnasiums sei es dabei, Begabungen zu fördern und Haltungen weiterzugeben. Eine besonders wertvolle Tugend, auf die P. Emmanuel dabei den Blick lenkte, sei Aufmerksamkeit – Aufmerksamkeit für das eigene ich, die Gegenstände, mit denen wir uns beschäftigen, für das menschliche Gegenüber. Gerade auch die aufmerksame Auseinandersetzung mit literarischen Texten lasse erkennen, was menschliches Zusammenleben ausmache oder mitunter auch erschwere. Aufmerksamkeit könne helfen, im zwischenmenschlichen Umgang die Freiheit des einen Individuums neben die Freiheit des anderen treten zu lassen und überhaupt auch komplexere Zusammenhänge zu durchschauen. Im Unterrichtsalltag beschäftige man sich am Gymnasium häufig aufmerksam mit scheinbar belanglosen Details, doch sei Schule gerade in dieser Gegenwartsbezogenheit der Ort für Zukunft schlechthin.
Den mit 250 Euro dotierten Sozialpreis des Elternbeirates konnte Elternbeiratsvorsitzende Christine Sommer in diesem Jahr an Eunike Sailer übergeben: Eunike hatte mit nachhaltiger Beharrlichkeit ihr Ziel verfolgt, die im Dornröschenschlaf liegende Schülerzeitung „Stachelbeere” zu neuem Leben zu erwecken. Sie formierte ein junges Redaktionsteam, nahm finanzielle und organisatorische Hürden und hat mittlerweile die Zeitung in jüngere Hände übergeben. Für dieses tatkräftige wie vorausschauende Engagement erhielt sie den Sozialpreis und viel Beifall.
Mit Freude in die Zukunft
Von Rückschau und Vorfreude auf das Kommende war die Abiturrede der Absolventinnen Kristina Bauer und Sina Peter geprägt. Doch angesichts eines Angebots von über 16000 Studiengängen stellten sie sich auch die Frage nach dem richtigen Weg. Freude auf das Neue wünschte als Vertreterin des Lehrerkollegiums StDin Karin Bäumler der Absolvia und betrachtete an Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ humorvoll deren Weg von den Anfängen an der Grundschule bis zum Abschluss an St. Stephan. Von einer „abwechslungsreichen Begleitung durch die Schulzeit“ sprach Katja van Heyden als Vertreterin der Elternschaft. Sie rief die Abiturientinnen und Abiturienten dazu auf, sich mit starken Wurzeln und Flügeln dorthin aufzumachen, wofür ihr Herz schlage und tatkräftig die Zukunft mitzugestalten.
Mit einem fröhlichen Stehempfang in der Schule endete die Feier.