Erdbeben im Klassenzimmer
„3 – 2 – 1 … und los!“ Vierzig Füße stampfen auf den Klassenzimmerboden, dass es dröhnt und die Wände wackeln, und Sekunden später ist auf dem weißen Feld an der Wand statt einer durchgezogenen Linie fast nur noch schwarze Zacken zu erkennen. „Gratulation, ihr habt gerade ein kleines Erdbeben ausgelöst!“, freut sich Lisa Glück. Die Geophysikerin und ihr Kollege haben einen echten Seismographen im Zimmer aufgebaut und messen die Schwingungen, die die Schülerinnen und Schüler der 7. und 10. Klassen auf dem Klassenzimmerboden auslösen, wenn alle gemeinsam stampfen – oder auch wenn Einzelne in unterschiedlicher Entfernung hochspringen und die Wellen wie bei einem echten Beben zeitversetzt am Messgerät ankommen.
Sonst sind die beiden Forscher mit solchen Erdbebenmessgeräten an Vulkanen unterwegs und messen dort die Bodenbewegungen. Am Ätna auf Sizilien und auf Island forschen sie aktuell, erzählen sie den beeindruckten Klassen. Mitgebracht haben sie Bilder und Videos aus ihrer täglichen Arbeit. “Gehören die Prinzenrolle und der Kaffeebecher auch zum Equipment?“, fragt ein genauer Beobachter. „Aber selbstverständlich!“, lautet die Antwort der Vulkanforscher, „wie sonst sollten wir sechs Stunden in diesem Autoladeraum aushalten, von dem aus wir bei Eiseskälte alle paar Minuten Stromstöße in den isländischen Boden schicken…?“
Dass man aber auch fünf Jahre nach einem Ausbruch noch ein Spiegelei auf dem heißen Stein braten kann, überrascht alle Zuhörer. Bis zu zwanzig Jahre kann es dauern, bis ein Lavastrom ganz abgekühlt ist, stellen die Experten klar und lassen ihre Zuhörer das schwarze Vulkanglas Obsidian und den löchrigen, leichten Bimsstein betrachten und betasten.
Aber nicht nur bei Vulkanen ist ihr Wissen gefragt, auch die Ozeanographen im GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Archäologen in Rumänien und Aserbaidschan waren schon auf die Zusammenarbeit mit den beiden Geophysikern angewiesen, weil sie mit ihren Instrumenten „in den Boden schauen“ können.
„Ist ja voll spannend! Wie wird man Vulkanforscher?“, fragen die jungen Zuhörer am Ende der viel zu kurzen Stunde. „Naja, …“, sagt die Expertin und zwinkert, „vor fast zehn Jahren saß ich genau da, wo ihr jetzt sitzt, weil ich nämlich selber Schülerin hier war und eure Geo-Lehrerin war damals auch meine. Mir hat Geo einfach Spaß gemacht, und im Studium hab ich mich dann auf Vulkanologie spezialisiert, weil ich es superinteressant fand. Übrigens: Wir suchen immer Nachwuchs!“