Erinnerung wachhalten – Tag des Judentums
Ein eindrucksvoller Tag des Judentums am Gymnasium bei St. Stephan
Am Mittwoch, den 22. Januar 2025, widmeten die neunten Klassen des Gymnasiums bei St. Stephan einen ganzen Tag dem Thema „Jüdisches Leben in Augsburg – Erinnern und Verstehen“. Mit einem abwechslungsreichen und intensiven Programm, das von historischen Rückblicken bis hin zu interaktiven Stationen reichte, wurde die Geschichte der jüdischen Mitbürger in Augsburg lebendig und greifbar gemacht.
Station 1: Geschichte erleben am Gymnasium bei St. Stephan
Den Auftakt machte eine Einführung zur Rolle des Gymnasiums in den 1920er Jahren, als hier auch jüdische Schüler wie Fritz Friedmann – eine der Hauptfiguren im Film „Die Stille schreit“ (Station 2) – unterrichtet wurden. Historische Fotografien, Tagebucheinträge und Schulberichte ließen die Schüler in Kleingruppen in die Vergangenheit des Schulgebäudes eintauchen. „Es war, als wären wir selbst in die Zeit zurückgereist. Besonders beeindruckt hat mich, wie nah das Schicksal von Fritz Friedmann unserer Schule steht“, bemerkte eine Schülerin.
Station 2: Filmvorführung im Liliom-Kino
Im Liliom Kino wurde der Film „Die Stille schreit“ gezeigt, der eindringlich die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung während des Nationalsozialismus darstellt. Viele Schüler zeigten sich tief bewegt: „Ich werde diese Szenen nicht vergessen. Der Film hat mir bewusst gemacht, wie wichtig es ist, dass wir niemals wegsehen“, tat ein Neuntklässler kund.
Station 3: Alltag der Diskriminierung – Stadtmarkt und Palais Friedmann
Auf dem Augsburger Stadtmarkt erfuhren die Schüler durch eine interaktive Szene, wie jüdische Mitbürger schrittweise aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt wurden. Mehmet Erbaş (Memo), der Besitzer des Feinkoststands „Erbas Feinkost“ auf dem Augsburger Stadtmarkt, half den Schülern, die damaligen Repressalien nachzuempfinden. „Es war bedrückend, zu erleben, wie hilflos man sich fühlen muss, wenn einem das Recht auf einen ganz normalen Einkauf verwehrt wird. Toll, dass Memo uns das ermöglicht hat“, schilderte eine Stephanerin.
Im Palais Friedmann inszenierten die Schüler im Anschluss daran die Zwangsenteignung des Familienunternehmens. Die Darstellung der systematischen Enteignung durch verschiedene staatliche Akteure beeindruckte durch ihre Realitätsnähe. „Ich war schockiert, wie kühl und berechnend diese Menschen vorgingen. Die Verzweiflung von Ludwig Friedmann und seiner Schwester ging mir echt nahe. Wahnsinn, dass von der Firma finanziell nichts übrig geblieben ist“, so eine Neuntklässlerin.
Station 4: Judenhäuser und Deportation
Die vorletzte Station führte die Schüler zu den Judenhäusern in der Bahnhofstraße und Hallstraße. Dort beschäftigten sie sich mit der Deportationsbescheinigung und überlegten, welche wenigen Gegenstände sie in einer solchen Situation mitnehmen würden. „Es ist unvorstellbar, wie Menschen gezwungen wurden, ihre eigene Deportation zu organisieren. Diese Aufgabe, innerhalb weniger Sekunden entscheiden zu müssen, welche drei Dinge ich mitnehmen soll, hat mich tief berührt“, teilte eine Schülerin mit.
Abschluss: Stolpersteine als Mahnmale
Zum Abschluss diskutierten die Schüler die Bedeutung der Stolpersteine, wie sie vor der ehemaligen Schirmmanufaktur Oberdorfer in der Maxstraße, heute ein Fast-Food-Geschäft, zu finden sind. Die unterschiedlichen Perspektiven – von Charlotte Knoblochs Kritik bis hin zur Würdigung durch Josef Schuster – regten zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur an. „Ich finde, dass Stolpersteine ein wichtiges Zeichen sind. Sie bringen uns dazu, kurz innezuhalten und an die Menschen zu denken, die hier lebten“, gab ein Neuntklässler an, während einige die Gegenmeinung vertraten, dass derartige Stolpersteine förmlich mit Füßen getreten werden.
Fazit: Ein Tag voller Erkenntnisse
„Ich habe heute gelernt, wie wichtig es ist, Erinnerung wachzuhalten. Nur so können wir verhindern, dass sich solches Unrecht wiederholt“, fasste eine Stephanerin den Tag für sich zusammen.
Der Tag des Judentums am Gymnasium bei St. Stephan war ein eindrucksvolles Erlebnis, das den Schülern nicht nur historische Fakten näherbrachte, sondern auch emotionalen Zugang zu einem schwierigen Kapitel unserer Geschichte ermöglichte.