„Guckt’s nommal genau hin!“
Nachdem die Coronapandemie dem Ölmalereikurs von Hennes Ruißing einen Strich durch die Leinwand gemacht hatte, hat dieses Wahlfachangebot nun eine kurzzeitige Renaissance erfahren. In Eigeninitiative trafen wir uns dreimal mit Herrn Ruißing in alter Besetzung im Klostergarten, um noch einmal zusammen zu malen. Damit haben wir unser gegenseitiges Versprechen eingelöst, den Kurs nach dem unbefriedigenden, zerstreuten Ende, zu dem das Homeschooling geführt hatte, nun doch noch zu einem schönen, gemeinsamen Abschluss zu bringen.
Wir haben das gegenseitige Wiedersehen sehr genossen. Und das gerade deshalb, weil das Malen – wie schon in der Vergangenheit – im Mittelpunkt stand. Wir nahmen es nie als vereinzelnde Tätigkeit wahr, sondern stets als Gemeinschaftserlebnis. Und dennoch ging dabei nicht der für das Malen wichtige Eigensinn verloren, den Hennes Ruißing in seinem eigenen Leben stets hochgehalten hat. Er schaffte es auf seine ganz eigene Weise, ein Klima zu etablieren, in dem das gemeinschaftliche Auf- und Abbauen sowie die vielen Gespräche und Anekdoten sozusagen den Rahmen schufen, in den jeder sein eigenes Gemälde einfügen durfte.
Gleich einem Ältesten unter Gleichen behandelte uns Herr Ruißing immer auf Augenhöhe, ließ uns Raum für eigenständige Entwicklung beim Malen und schätzte anschließend den Eigenwert unserer Gemälde trotz – oder besser: wegen – all ihrer Unvollkommenheiten. Wir durften einfach versuchen, das Wesentliche im Erscheinungsbild der Gegenstände einzufangen, auch wenn dabei viele Details verloren gegangen sind. Wir sind in der Tat dankbar dafür, dass wir uns vielleicht gerade aufgrund unserer technischen Unvollkommenheiten einen staunenden Blick dafür bewahren konnten, wie vollkommen sich die Gegenstände in Raum und Licht entfalten, wenn man nur genau genug hinschaut. Kurzum: Wir durften die Gegenstände und unseren eigenen Blick auf sie wertschätzen. Wenn wir also unsere Selbstporträts betrachten, dann sind wir nicht frustriert, dass sie uns nicht wirklich ähnlich sehen, sondern erinnern uns daran zurück, wie wir uns bei ihrer Anfertigung mit uns selbst auseinandergesetzt haben.
Im Klostergarten haben wir aufs Neue erfahren, wie schwer es ist, selbst die alltäglichsten Motive zu malen. Dennoch befolgten wir Hennes Ruißings Rat und versuchten, „einfach nommal richtig hinzumgucken“. Dann kann einem auch eine Dixi-Toilette im Klostergarten als ästhetisch vielschichtiger und wertvoller erscheinen als vermutet, wie uns Yannick mit seinem Gemälde veranschaulicht hat. (Öffnet man die Toilette, endet die Romantik aber auch schnell.) Wir danken Hennes Ruißing von ganzem Herzen für die wunderbaren Jahre, in denen beim Malen für solche Albernheiten wie für Ernsthaftigkeit gleichermaßen Raum war, und freuen uns wehmütig auf ein Wiedersehen.