Hand in Hand – „Ein ganz gewöhnlicher Jude“
„Wir haben dünne Haut bekommen – weil sie uns immer mit Samthandschuhen anfassen.“
Einer der vielen Sätze – schlicht und ehrlich – die den Schülerinnen und Schüler der Q11 am 30. März 2022 unter die Haut gegangen sind. In seinem Ein-Mann-Theaterstück „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ spannte der Schauspieler Matthias Klösel monologisch die Erfahrungen eines Juden in der modernen deutschen Gesellschaft auf.
Mit einer schriftlichen Einladung an Emanuel Goldwaid, sich als „jüdischer Mitbürger“ (und mit „freundlichem Schalom“ unterzeichnet) Schulkindern für eine Fragestunde zur Verfügung zu stellen, gerät ein Stein ins Rollen. Aus der Empörung, im Rahmen des Lehrplans – Stichwort: den Holocaust und Toleranz „lernen“ – sich wie ein exotisches Zootier vorführen zu lassen, entfaltet Emanuel nach und nach die Geschichte seines Lebens, das schmerzhaft in den Fängen der Erinnerung an stetige Unterdrückung der Juden war und ist: Über seine Kindheitserinnerungen an eine vom Holocaust zertrümmerte Familie bis hin zu seiner über religiöse Unstimmigkeiten verunglückte Ehe mit einer katholischen Frau.
Im Vordergrund steht vor allem der Komplex aus der schwierigen gesellschaftlichen Identifikation als Jude und der persönlichen, schwankenden Glaubensbindung zur Religion. Denn eigentlich versucht Emanuel, sich als ganz normaler Jude in die deutsche Gesellschaft einzufügen, stößt aber dabei auf eine tiefe, unausgesprochene Betretenheit seitens Deutscher. Sei es das Verhalten, Juden philosemitisch übervorsichtig mit „Samthandschuhen“ anzufassen oder sie als Antisemiten zu bedrohen und zu diskriminieren – beides ist unerträglich für ihn.
Nach dem einstündigen Stück – reich an Emotionen und tiefsinniger Ironie im Angesicht der zertrümmerten deutsch-jüdischen Geschichte – eröffnete sich eine Diskussion zwischen Matthias Klösel und den Schülerinnen und Schülern. Daraus ergab sich die gemeinsame Reflexion der Eindrücke und zahlreiche Fragen, über die heutige Rolle von Juden in der Gesellschaft bis hin zu den Kniffen eines Ein-Mann-Theaters. Besonders schwierig war die Frage, wie man sich als Person in Deutschland gegenüber einer jüdischen Person verhält – gesucht war ein Kompromiss aus der ständigen Erinnerung und Mahnung an den Holocaust und der ganz normalen Behandlung als Mitmenschen – als „ganz gewöhnliche Juden“. All dies machte diese Doppelstunde zu einer prägenden und bereichernden Erfahrung für alle zu einem stets aktuellen Thema.