Helena geht ab!
„Helena geht ab!” Puck, der Verwirrer im Wald bei Athen, muss das dreimal sagen, ehe Helena abgeht. In dieser herrlichen Theaterstunde am Gymnasium bei St. Stephan passiert vieles dreimal. Denn auch Puck, den Gnom, Spaßvogel und verwirrten Verwirrer aus William Shakespeares „Sommernachtstraum”, gibt es dreifach. Vor allem aber stehen auch die Liebenden – Hermia, Helena, Demetrius und Lysander – jeweils in drei Personen auf der Bühne. Aus diesem Grund ist richtig viel los auf der Bühne in St. Stephans Großer Aula, wo die Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe ihr Stück „Liebe einer Sommernacht” nach Shakespeare aufführte.
Die Wiedereröffnung der Schulbühne nach zwei vollen Jahren Corona-Zwangspause war für viele Gäste der Anlass, wieder zusammenzukommen. Beide Aufführungen waren außerordentlich gut besucht – und es gab viel zu sehen: Heiteres, Nachdenkliches, Dynamisches und Quicklebendiges.
Aus Shakespeares „Sommernachtstraum” hatte die Theatergruppe um Leiterin Elke Sandler nur den Mittelteil herausgelöst: Das Verwirrspiel um die menschliche Liebe. Zwei Paare brechen aus der Stadt aus (wo der Vater wegen der unpassenden Liebesbeziehung mit Hausarrest, Handyverbot oder BWL-Studium gedroht hatte!), um in der Einsamkeit des Waldes ganz der Liebe und Zweisamkeit zu leben. Doch der Wald wird zum Ort der spukhaften, kreatürlichen, allzumenschlichen Wirrnis menschlicher Gefühle, verkörpert im Gnom Puck. Dieser Dreifach-Puck, gespielt von Judith Becker, Denisha Choumin Nguemaleu und Quirin Schlosser, kann Hip Hop tanzen, Räder schlagen, Bockspringen und vieles mehr. Vor allem aber mischt er sich in das Spiel menschlicher Liebe: Mit der Zauberblume wird Liebessaft verträufelt und – schwupps! – drehen sich mehrfach die Liebeskonstellationen im Dreifach-Liebesquartett Hermia, Helena, Demetrius und Lysander.
So wird auf der Bühne gebalzt und gebuhlt, Liebe geschworen und Sehnsucht erlitten, aber auch verstoßen, verachtet, ignoriert und gedemütigt. In vielen durchchoreographierten Bildern, vielschichtig-zeitgleichen Szenerien, in feinen Songs und über Mikrophon „drübergeprochenen” Gedanken entfaltet sich das Geschehen. Durchbrochen wird es zweimal mit ganz ruhigen Paarmomenten, in denen vom Blatt gelesene Selbstmitteilungen der jugendlichen Spielerinnen und Spieler über ganz persönliche Liebeserfahrungen dargeboten werden. Auf diese Weise – mit unglaublichen Amplituden zwischen laut und leise, diffus und glasklar, absolut typisch und höchst individuell – entstand in der kurzweiligen Theaterstunde eine vielschichtige Revue menschlicher Gefühle.
Eine feine Musikauswahl und stimmungsbewusstes Licht – der schwarze Bühnenkasten mündete in eine weiße Rückwand, die als Farblichtfläche fungierte –, vom Technikteam der Schule unter Leitung von Marcel Zapf sehr souverän eingebracht, vervollständigten eine berührende Bühnenleistung.
Am Ende lösen die drei Pucks die Liebes- und Hassknoten wieder auf und lagern das Liebesquartett (aus insgesamt zwölf Personen) in einen Menschenknäuel von übermüdeten, entkräfteten Wesen, die zum Schluss nur von einem wirren Traum berichten können. Und nachdem es über eine Stunde auf der Bühne emotional, szenisch und spieldynamisch voll abgegangen ist, geht Puck ab, begeistert über all das, was unter Menschen wie dir und mir so Tag für Tag abgeht.