Depression ist heilbar – wenn man Hilfe annimmt
„Depression ist eine Pandemie!“ Mit griffigen Worten veranschaulichte Professor Dr. Alkomiet Hasan, Leiter der Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Augsburg in einem Vortrag für die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums bei St. Stephan die Verbreitung dieser psychischen Erkrankung. An ihr litten weltweit mehr und mehr Menschen – gerade auch Kinder und Jugendliche.
Rund 30 Schülerinnen und Schüler der 8. bis 12. Jahrgangsstufe nahmen die Gelegenheit wahr, sich bei Hasans Vortrag über die Hintergründe der Erkrankung, Stigmatisierung, Verbreitung und die Frage, wie man Hilfe findet, sehr fachlich und trotzdem schülernah zu informieren. Der Vortrag war von der AG Jugendpartizipation unter Federführung von Marion Spielberger und Maximilian Mannel (Q12) organisiert worden. Im Anschluss konnten sich die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Themengruppen nach der Methode „Worldcafé” austauschen, um gemeinsam zu überlegen, wie man für sich selbst sorgen kann, aber auch was Schule, Familie und Freundeskreis in Krisensituationen zur Stabilisierung beitragen können. Hier war auch Schulpsychologin Karina Staffler mit im Team. Weitere Unterstützung fand dieses Projekt bei Schulleitung und Elternbeirat, vertreten durch Vorsitzenden Michael Tusch.
„It’s okay not to be okay” – unter diesem Motto hatte die AG ihre Mitschüler aus einem wichtigen Grund in das Jugendzentrum „Villa” des Stadtjugendrings Augsburg unweit des Gymnasiums geladen: „Viele Stephaner und Stephanerinnen haben gemerkt: Mitschülern geht es nicht gut”, so Schüler-Moderator Joseph Kolland. Diese erkrankten – gerade nach der Corona-Pandemie -, u. a. an einer Depression. Das Gespräch über das tabuisierte Thema der Depression zu öffnen und innerhalb der Schulgemeinschaft eine Veränderung zu bewirken, so der Moderator, sei eines der wichtigsten Anliegen dieses Projekts.
Die Zahlen Professor Hasans bestätigten die Wahrnehmung der Jugendlichen: Laut DAK-Studie sei die Zahl der Fehltage von Schülerinnen und Schülern in den letzten Jahren um 23 Prozent gestiegen. Allein in Deutschland litten mittlerweile rund acht Prozent der Bevölkerung an einer Depression. Zu entstigmatisieren sei deshalb so wichtig. Denn allzu oft werde diese Erkrankung noch als „Charakterschwäche“ ausgelegt, so der Psychiater der Universitätsklinik, der u. a. auf schwierig zu behandelnde Depressionen spezialisiert ist. Da heiße es: „Mensch, reiß dich zusammen!” Doch depressive Schülerinnen und Schüler kämen morgens nicht absichtlich zu spät oder gar nicht zur Schule, sie versäumten nicht mit Absicht Klausuren oder sagten eine Party ab. Vielmehr fühlten sie sich oftmals über Wochen traurig und bedrückt, freud- und lustlos. Hingegen helfe Aufklärung und medizinisch-therapeutische Behandlung.
Im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen nähmen Depressionen und Affektive Störungen vor allem in Industrieländern zu. Dies könne nicht nur allein auf biologische Ursachen, wie die genetische Veranlagung, zurückgeführt werden. Risikofaktoren seien darüber hinaus Mobbing, Stress in der Familie und der Schule, Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation oder regelmäßiger Cannabiskonsum, so der Lehrstuhlinhaber der Universität Augsburg.
Die anwesenden Schülerinnen und Schüler folgten aufmerksam diesen Ausführungen und stellten zahlreiche Fragen. So wollten sie wissen, was Freunde tun könnten, wieso so wenig über das Thema „Depression” gesprochen werde oder was Schule bei der Unterstützung Erkrankter besser machen könne. Eine verständnisvolle Frage könne schon helfen, so Hasan: „Was würde dir guttun?” Für stellvertretenden Schulleiter Pater Emmanuel Andres war wichtig, hier herauszustellen, dass positive Erlebnisse mit Freunden und das vertrauensvolle Gespräch mit Lehrkräften stabilisierend seien. „Doch wir müssen auch bedenken, wo sind unsere Grenzen und wo ist die fachliche, medizinische Begleitung notwendig.” Schulpsychologin Karina Staffler betonte den Gedanken, dass nicht nur Fachleute helfen könnten, sondern alle Schülerinnen und Schüler können aufeinander achten und füreinander hilfreich sein.
In den Workshops zeigte sich, was den anwesenden Schülerinnen und Schülern auf den Nägeln brennt bzw. was sie sich wünschten: Der Übertritt aufs Gymnasium und Leistungsdruck belasten Schüler, wohingegen sie sich Offenheit, Aufmerksamkeit und Akzeptanz innerhalb der Familie, ein aufrichtiges Füreinander-Dasein jenseits von Floskeln von den Freunden erhoffen.
Die wichtigste Botschaft bleibt aber wohl eine Aussage Professor Hasans: „Eine Depression ist heilbar, gut zu behandeln, wenn man Hilfe annimmt.”