Kreativität – cool und heilsam
Es kam einem Eintauchen in die Frage gleich, was Kreativität eigentlich ist und in wie vielfältiger Weise ihr begegnet werden kann: der Augsburger Begabungstag 2022 des Bildungsbündnisses Augsburg, der in bewährter Form in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für Begabtenförderung am Gymnasium bei St. Stephan organisiert worden war. Mittels einer Vielzahl unterschiedlichster Workshops und Vorträgen konnten sich die rund 120 Teilnehmenden, unter ihnen Schülerinnen und Schüler, angehende Sozialpädagogen, Lehrkräfte und Bildungsinteressierte, dem Thema annähern.
Stefanie Schmitt-Bosslet vom Bildungsbündnis Augsburg bezeichnete in ihrer Begrüßung Kreativität als Motivator, um das eigene Leben zu gestalten, und sie hoffte auf den Multiplikatoren-Effekt der Veranstaltung, so dass Kreativität in Kindertagesstätten, Schulen und weiteren Bildungsbereichen sich entfalten könne. Die heilsame Wirkung der Kreativität, die den Menschen in all seiner Tiefe ergreife, betonte wiederum Claudia Reich-Mahnke, Schulleiterin der Rudolf-Steiner-Schule Augsburg. Sie verband damit auch die Fähigkeit, kreativ mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen und Resilienz zu entwickeln. Nachdenkliche Worte fand die Schirmherrin der Veranstaltung Martina Wild, Zweite Bürgermeisterin der Stadt Augsburg, wenn sie den Blick darauf lenkte, dass die vergangenen Monate der Corona-Pandemie deutliche Spuren bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen hätten. Sie verwies hierbei auf die gestiegene Zahl an seelisch erkrankten Minderjährigen. Gleichzeitig erinnerte sie daran, mit wie viel Kreativität die Handelnden in Bildungseinrichtungen den Schwierigkeiten der Pandemie begegnet seien. Diese kreierende Kreativität wünsche sie sich weiterhin: „Denn die Gewinner sind die Kinder in den Bildungseinrichtungen.“
Gewonnen hatten auch die rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am „Augsburger Begabungstag 2022“, die über Vormittag und Nachmittag verteilt an jeweils zwei von 15 unterschiedlichen Workshops teilnehmen konnten und in Kurzimpulsen und längeren Vorträgen Anstöße aus den Bereichen Innovationskultur, Kultur und Bildung, Empowerment, Medizin, Sprache, Erfindungen, Stadtentwicklung und Schule erhielten. Josefine Weiand, Schülerin der achten Jahrgangsstufe am Gymnasium bei St. Stephan, fasste ihre Erfahrungen folgendermaßen zusammen: „Das Thema Kreativität ist toll und vielfältig und von der Arbeit mit Naturmaterialien über Farbexperimente bis zum Improvisationstheater ist für jeden etwas dabei“. Nicht nur das habe sie sehr beeindruckt, sondern auch die Offenheit, mit der in den von ihr gewählten Workshops an Aufgaben herangegangen worden sei. Der Begabungstag habe ihr gezeigt, dass sie künftig mehr ausprobieren sollte. So wie die Schülerin Zoe Prillwitz, die in einem der „coolen“ Kurzvorträge über ihre Innovation sprach, Mikroplastik mittels eines Filters beim Maschinenwaschen aus dem Abwasser zu filtern.
Beide Schülerinnen zeigen demnach, wenn es nach dem Psychologieprofessor Dr. Joachim Funke von der Universität Heidelberg geht, Züge einer kreativen Persönlichkeit, die sich u. a. durch Ambiguitätstoleranz, Ausdauer, Offenheit für neue Erfahrungen, Risikobereitschaft und Glaube an die eigene Person bzw. Kritikfähigkeit auszeichne. Funke hielt den Eröffnungsvortrag des „Augsburger Begabungstages 2022“ und klärte dabei über die Zusammenhänge von kreativer Person, kreativem Prozess, kreativem Produkt und kreativer Umgebung auf. Und er betonte dabei das notwendige Wechselspiel von Chaos und Routine. Bildungseinrichtungen falle hierbei einerseits die Aufgabe zu, den Erwerb von Wissen zu ermöglichen, denn ohne Wissen könne man nicht ausreichend kreativ sein, und andererseits „spinning ideas“ bewertungsfrei zuzulassen. Ins selbe Horn stieß im Abschlussvortrag die weit über Augsburg hinaus bekannte Künstlerin und Hochschuldozentin Juliane Stiegele, die zur „radikalen Kreativität“ aufrief und an die Bildungsschaffenden appellierte, die Kinder und Jugendlichen sich nicht „passend“ zu machen, sondern deren kreatives Potenzial zuzulassen, so dass diese sich ihrer Talente und Begabungen bewusst werden und diese entwickeln können.
Die Begleitung junger Menschen bei ihrer kognitiven, aber auch kreativen Potenzialentfaltung ist eines der grundlegenden Ziele, die das Gymnasium bei St. Stephan seit vielen Jahren mit dem Konzept der Personorientierung verfolgt. Durch den Augsburger Begabungstag konnte in den letzten Jahren ein regionales Netzwerk der Begabten- und Begabungsförderung entwickelt werden.