Meine Mutter ist der Horror!
Szenen gestresster Kinderleben
Die eine produziert im heimischen Badezimmer biologisch einwandfreies Duschgel und zwingt die Teenagertochter, das „grauslige Zeug“ auch noch zu benutzen. Die andere ist zutiefst überzeugt, dass ihr Sohn Bruno „mit Tasten an den Fingern geboren sei“ und nötigt ihn mehrmals wöchentlich zur Klavierstunde, obwohl dieser seine Fingerchen lieber beim Boxen einsetzen würde. Und noch eine serviert ihrer Familie tagtäglich Fischstäbchen, ganz nach dem Geschmack des jüngsten „Herzenssohnes“ Niklas und zum Leidwesen der älteren Tochter Sophia.
So reihen sich in dieser sehr unterhaltsamen Aufführung Szenen aus gestressten Kinderleben nahtlos aneinander, die einerseits zum Schreien komisch sind, den Zuschauer aber auch ein bisschen zum Nachdenken bringen, da bei aller Überspielung und Übertreibung ein Fünkchen Realität in diesen Situationen steckt. Die Mädchen und Jungen haben ihre liebe Not mit den kuriosen Vorstellungen und überehrgeizigen Plänen ihrer Mütter und so stellt sich in dem Theaterstück die Frage, wie man als Sohn oder Tochter mit derartigen „Horror-Müttern“ umgehen soll.
Robotermütter — perfekte, aber gefühlskalte Haushaltsmaschinen
Die Romanvorlage „Die schrecklichsten Mütter der Welt“ von Sabine Ludwig hat da eine vermeintlich passable Lösung parat: Nachdem die Jugendlichen ihre vielfältigen Nöte in Briefen an den heruntergekommenen Spielzeughersteller Wohlfarth (selbst einst von einer „Horror-Mutter“ traumatisiert) niedergeschrieben haben, werden die nervigen Über-Mütter in eine Besserungsanstalt, selbstverständlich getarnt als Wellness- bzw. Kuraufenthalt auf einer Nordseeinsel, geschickt und zuhause kurzerhand von Robotern, den „Tanten“ ersetzt. Eigentlich eine geniale Idee, doch was für Kinder (und Ehemänner) zu Anfang die Erfüllung all ihrer Wünsche zu sein scheint, gerät schnell zum Albtraum. Zwar beherrschen die Roboter-Mütter alle Haushaltstätigkeiten mühelos, sind immer tadellos gestylt und ausschließlich um das Wohlergehen der Familienmitglieder bemüht, denn darauf wurden sie als „perfekte Puppen“ vom genialen Erfinder Kruschke programmiert. Doch leider sind sie unfähig, sich auf unvorhergesehene Situationen einzustellen, echte Gefühle zu zeigen, zu trösten oder zu lachen. So wird es in den Familien immer monotoner, kälter und trauriger – eben roboterhaft.
Einfühlsames und humorvolles Spiel
Die Spierlinnen und Spieler kommen mit wenigen Requisiten aus – ein Teddybär, ein paar Besen, Tische und Stühle, Boxhandschuhe. Denn das Stück lebt vom lebendigen, freudigen Spiel aller Akteure, von ihrer ausgeprägten Körpersprache, ihrem sprachlichen Witz und ihrem großen Improvisationstalent. Sie schlüpfen unter der Leitung von Markus Müller mühelos in die Rollen des aufgedrehten Vierjährigen Niklas, des schrullig-einsilbigen Erfinders Krusche, der aufdringlichen Frau Beutel oder der resoluten, furchteinflößenden Frau Wohlfarth und reizen besonders die „Robotor-Rollen“ bis an den Rand der Lächerlichkeit aus, um zu zeigen, wie hohl und antrainiert die immer gleichen Phrasen und Tätigkeiten wirken, wie schnell sie sich abnutzen.
Am Ende des Abends steht demnach für alle – Spieler und Publikum – fest: Auch die perfekte Puppe kann eine echte Mutter nicht ersetzen und so erobern die Jugendlichen ihre Mütter mutig zurück und entdecken ihre Verbundenheit, die trotz aller „Horror-Szenarien“ des Alltags eben doch tief und liebevoll ist.
Ein gelungener, überaus humorvoller Theaterabend, dessen Thema (nicht nur für Mütter) noch länger nachklingt!