Neue Töne in einem bewährten Gehäuse
Klaus Dallmeir, St. Stephans langjähriger Klavierstimmer, der zweimal jährlich alle Klaviere und Flügel im Haus – es sind insgesamt 13 Instrumente – auf Vordermann bringt, kennt seine „Pappenheimer” ziemlich gut. Und Klaus Dallmeir ist als Klavierbauer echter Kunsthandwerker, der sich in große Aufgaben richtig hineinfuchsen kann.
Die Aufgabe, den Flügel des Musiksaals im Neubau, der mittlerweile über 40 Jahre auf dem Buckel hat, in Stimmung zu halten, war in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Denn die Stimmwirbel, in speziellen Schichthölzern eingedrehte Halterungen der Saiten, waren lose geworden und konnten ihrer „spannungsreichen” Aufgabe nicht mehr gerecht werden. Zuletzt fehlten ganze Töne.
So stand für die Sommerferien 2023 eine große Rundumerneuerung des gesamten Saitenmaterials und seiner Halterungen an. Der Kawai-Flügel durfte mehrere Wochen in Dallmeirs Werkstatt verbringen, wo er in der Obhut des Fachmannes zu neuem Klang-Glanz fand.
Die Reise begann mit dem Münchner Transport-Duo Björn und Roman, die gerade einen Flügel für den chinesischen Starpianisten Lang Lang zum Odeonsplatz gebracht hatten, als sie in St. Stephan ankamen und den Kawai in zwanzig Minuten abgebaut, verpackt und eingeladen hatten. Nach der Ankunft in Dallmeirs Werkstatt ging es zunächst an den Ausbau der Spielmechanik, ehe das alte Saitenmaterial ausgebaut und die leer drehenden Stimmwirbel allesamt herausgenommen wurden.
Der Einbau erfolgte Wirbel für Wirbel, die im Vergleich zu ihren Vorgängern im Millimeterbereich größer sind. Im oberen und mittleren Bereich wird ein Klavierton aus drei Saiten angeschlagen. Und auch hier fanden sich einige Reparatur-Vergehen früherer Jahrzehnte: Saiten fehlerhafter Dicke und zurechtgestutzter Länge hatten sich durch unsachgemäßes Handeln eingeschlichen. Bis Klaus Dallmeir zu den tiefen Tönen kam, die mit zwei Saiten bespannt sind und in der untersten Oktav nur noch mit einer einzigen, handwerklich gewickelten Saite, dauerte es mehrere Wochen. „Ich habe mich richtig eingegraben”, gesteht Dallmeir am Ende dieser Tage – und fügt an: „Der Kawai hat einen neuen Klang erhalten, der den bisherigen deutlich übertrifft.”
In den kommenden Monaten, wenn sich die neu aufgebaute Spannung auf dem Gussrahmen Schritt für Schritt einpendelt, werden häufigere Nachstimmungen nötig sein. Doch dann wird das millimetergenaue Saitenmaterial seine ganze Klangkraft entfalten. Björn und Roman jedenfalls kamen Mitte September ein zweites Mal und brachten das Instrument zurück an seinen angestammten Platz – wo jetzt nur noch parketttaugliche Beinaufsetzer nachgeliefert werden müssen.
Dank verfügbarer Stiftungsgelder und dank Klaus Dallmeirs handwerklichem Ehrgeiz konnte diese große, zukunftsorientierte Maßnahme mit Beginn des Schuljahres an ihr Ziel gebracht werden: Neuer Klang in bewährtem Gehäuse.