Ohne Dach – eine Theaterperformance
Die Bilder im Kopf zum Stichwort „obdachlos” sind fest – verwahrlost, ungepflegt, asozial, auffällig … Doch diese Eindrücke rühren von Männern her, auch „Penner” oder „Sandler” genannt. Die Obdachlosigkeit von Frauen hat ein völlig anderes Gesicht, wie die Fotoausstellung „Obdachlosigkeit hat jedes Gesicht” im Forum Annahof zeigt (bis 18. Dezember 2024) – und eine siebenköpfige Gruppe von Mädchen aus St. Stephans Theatergruppen versah auf der Vernissage im Augustanasaal die Thematik mit packenden Bildern, die die anwesenden Gäste sehr bewegten.
Die Fotos der Hamburger Fotografin Ann-Kathrin Kampmeyer von 26 Frauen sind schon mehrere Jahre alt und bestechen bis heute: Unter den Porträts befinden sich sechs obdachlose Frauen. Weil aber alle Frauen ohne Schmuck, ohne gestyltes Haar, ohne Brille und ohne Bekleidung (außer einem Unterhemd) abgelichtet sind, lässt sich keine einzige „Obdachlose” herausfinden: Da sind einfach 26 Menschen in ihrer unverstellten Natürlichkeit zu sehen. Und alle zeigen ihre Würde und Selbstachtung.
Die Vernissage war sehr bewegend, denn neben Grußworten ging es vor allem um die Arbeit des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), mit dem St. Stephan nicht nur im Bereich der Schulverpflegung eng zusammenarbeitet. Der SkF betreibt nämlich in Augsburg neben der Frauenberatungsstelle „InBeLa” auch das Übergangswohnheim „Casa Donna” für obdachlose Frauen. Und das große Projekt einer „Frauenpension”, die nicht nur situativen Wohnraum in Mehrbetträumen schafft, war Thema des Abends. Geschäftsführerin Martina Kobriger und Sozialreferent Martin Schenkelberg zeigten sich hier in ihrer Kooperationsbereitschaft und großen Sensibilität für das Thema, um aus dieser Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Die sieben Mädchen aus St. Stephan entwickelten ihre Performance, mit der sie die Vernissage bereicherten, auf der Grundlage von Texten aus dem Buch „Keine Bleibe” von Angelika Sinn. Kurze Ausschnitte, die deutlich machten, wie Frauen unter Obdachlosigkeit leiden, wie sie um Unsichtbarkeit dieses gesellschaftlichen „Makels” kämpfen und ihre Würde und Hoffnung wahren, wurden in eindrucksvolle Bilder von Niedergeschlagenheit und Hoffnungswille gepackt. Und zugleich griffen die Schauspielerinnen die Sprache der Fotografien auf und legten zu Beginn ihrer Darbietung Kleidungsstücke ab, die Schutz und Status symbolisieren.
Am bestechendsten war das Schlussbild eines Leintuchs, in das sich Frieda fallen lassen konnte, weil es Charlotte, Helen, Judith, Livia, Josefine und Zoe für sie kraftvoll aufspannten. In mehreren Redebeiträgen wurde dieses Symbol anschließend sofort aufgegriffen: Wohnen heißt, einen Platz zu haben, wo man sich in Sicherheit weiß, Unterstützung spürt und sich getrost auch mal fallen lassen kann.
Aus schulischer Sicht war die Vernissage ein toller Moment, wie in einem kreativen Team soziales Engagement konkret wird. Kein Wunder, dass die sieben jungen Stephanerinnen gleich für die Lesung eingeladen wurden, bei der Angelika Sinn am 28. November 2024 aus ihrem Buch „Keine Bleibe“ liest.
Die Ausstellung „Obdachlosigkeit hat jedes Gesicht” im Forum Annahof ist vom 06. November 2024 bis zum 18. Dezember 2024 im Treppenaufgang zum Augustanasaal zu sehen.