Schmuckstücke gehen – und viel bleibt!
„Die Schmuckstücke gehen und das Gerümpel bleibt.” So bringt es die Abiturzeitung 2021 auf den Punkt, an der auch Schulleiter Bernhard Stegmann seine Rede zur Verleihung der Abiturzeugnisse ausrichtete. Den Hygieneregeln folgend fanden die Feierlichkeiten in zwei Entlassfeiern statt, so dass – anders als noch im Jahr 2020 – etwas mehr Zeit blieb, um gemeinsam auf das Geleistete zurückzublicken und einen ersten Blick in die Zukunft zu wagen.
Da fällt zunächst auf, dass die Abiturzeitung nicht mehr zur überkritischen Abrechnung mit der Schule dient (woran sich Stegmann aus seiner eigenen Zeit eher leidvoll erinnert), sondern als „Erinnerungsbuch” Bilder sammelt und Charakterköpfe vereint, wodurch eine lebenslange Verbundenheit gestärkt wird. Das Abiturmotto „ABIKEA” ruft viele Assoziationen auf wie den Gedanken an das „Aufbauen”, das für IKEA-Möbel gefürchtet ist. Stegmann widmete sich dem Gedanken der „Persönlichkeitsentwicklung” und bekundete seine bewundernde Verwunderung, wie sich der Jahrgang 2021 zuletzt entwickelt hat zu beeindruckenden und famosen jungen Menschen.
Das Wissen der Schule ist dabei kein Ballast, sondern das Vehikel, durch das Einschätzen, Gestalten und Werten erst heranreifen kann. In der „Manufaktur” St. Stephan weiß man, wie durch kontinuierliche Begleitung junger Menschen genau diese Kunstwerke und Schmuckstücke entstehen, die da jetzt das Reifezeugnis erhalten.
Coronakonform übergab Schulleiter Stegmann die Zeugnisse, widmete aber jeder Abiturientin und jedem Abiturienten ein kurzes persönliches Wort und konnte einige Anerkennungspreise vergeben. Dabei stechen die beiden dotierten Preise wie jedes Jahr besonders heraus: Der „Musikpreis” ging an Jonas Dorn, der als Singer-Songwriter und unermüdlicher Helfer im Notenarchiv und beim Spendenkonzert hervorgetreten war. Den „Sozialpreis des Elternbeirats” erhielt Laurenz Metzner, der über mehrere Jahre als Schülersprecher, Techniker und Veranstaltungsmanager das Schulleben mit Verlässlichkeit und Einfühlungsvermögen entscheidend mitgeprägt hatte.
Für die Schüler sprachen Bryan Krauss und Cornelius Müller: Bryan dankte ganz unverstellt herzlich den Lehrkräften für ihren Einsatz in der Coronakrise. Diese Krise deutete er als Schule der Selbstdisziplin und der Eigenverantwortung und leitete daraus ab: „Denkt unbegrenzt! Ihr habt nur die Grenzen, die ihr euch selber setzt.” Cornelius machte in seiner Rede gleich deutlich, was das konkret bedeutet. Die Absolvia 2021 hat so viel „hingekriegt” an stabilem Unterricht, mutiger Projektarbeit von Spendenkonzert bis Aufführungen und an starkem Gemeinschaftsgefühl. „Auf all das bin ich stolz!”
Für die Eltern sprach zunächst Éilis Quinn-Kolland, die bei ihrer Küche als dem „Magneten” des Hauses ansetzte: Dort trifft man sich, erzählt und teilt sich mit, dort erfahren Eltern etwas über die großartige Schule ihrer Kinder und über den Charakter und die Vielfalt der Lehrkräfte. Neben Cicero, Shakespeare und Seneca zitierte sie aus den Spruchkarten in ihrer Küche auch Richard von Weizsäcker: „Erziehung ist Beispiel und Liebe.” Mit diesen Gaben entstehen Ideale, Werte, Liebe und Mut. Denn für das Leben gibt es kein Handbuch – wie bei IKEA –, sondern die Lust am gemeinsamen nächsten Schritt. Impulsiv und mitreißend endete ihre Rede mit dem Appell: „Geht hinaus und tanzt!” Ulrich Wohlfarth sprach über die Corona-Erfahrungen, die viel Flexibilität und Improvisationsgeschick benötigt und geschult haben. Aus der Person des historischen Stephanus leitete er Standhaftigkeit und großzügige Gelassenheit ab und resümierte: „Sie sind keine armer Jahrgang, sondern haben mit vielen starken Eigenschaften ein volles Abitur erreicht.”
Beide Feiern, die jeweils rund 70 Minuten dauerten und in der heiter-berührenden Atmosphäre des Kleinen Goldenen Saales ihr Flair entfalteten, wurden von kleineren Musikbeiträgen durchformt: Benigna Gruber spielte auf der Gitarre, Ferdinand Brandl am Klavier und Hannah Hübner auf der Violine. Im zweiten Durchgang musizierten Helen Richter am Cello, Christopher Thiel mit Gesang und Leon Sadremoghaddan auf dem Klavier.
Was bleibt nach acht (oder mehr) Jahren an der „Manufaktur” St. Stephan? Die Schmuckstücke gehen (wo sich Schulleiter Stegmann heuer auch einschließen durfte), das Gerümpel bleibt! Oder als süffisante Erwiderung formuliert: Was für Gerümpel gehalten wird, wandelt sich durch Wertschätzung oftmals zur bewundernswerten Antiquität. Da könnte es passieren, dass die Schmuckstücke doch auch immer wieder gerne mal vorbeischauen …