Stolperstein: Erinnerungszeichen an einen Stephaner
Gunter Demnig, der Kölner Künstler mit dem tiefen Hut, auf den die Verlegung von „Stolpersteinen” für Opfer des Nationalsozialismus zurückgeht, war selbst gekommen: In der Sommestraße legte Demnig Hand an, um im Straßenpflaster vor der letzten Wohnstätte des Augsburgers Edmund Aull einen Stolperstein zu verlegen.
Edmund Aull ist ein Opfer nationalsozialistischer Euthanasie-Medizin, als psychisch Kranker war er schon im Jahr 1935 mit 20 Jahren zwangssterilisiert worden und nach mehreren Klinikaufenthalten im Juli 1944 durch Medikamente und Nahrungsentzug (mit dem perfiden Begriff „Entzugskost” bezeichnet) in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren getötet worden.
Zur Verlegung des Stolpersteins, die Künstler Gunter Demnig unaufgeregt und sehr dezent vornahm, hatte die Initiative „Gegen Vergessen – Für Demokratie Augsburg-Schwaben” eingeladen. Edmund Aull hatte bis zum Sommer 1935 das Gymnasium bei St. Stephan besucht, weshalb die Schule sehr gerne die angebotene Patenschaft für den Gedenkstein übernahm. Mit künstlerischen Beiträgen in Musik und Text gestalteten Schülerinnen und Schüler die Veranstaltung gegenüber dem Kulturhaus „abraxas” mit.
Zunächst begrüßte Thomas Hacker von der Initiative „Stolpersteine Augsburg“ den kleinen Kreis, der sich versammelt hatte. Für die Schule sprach Schulleiter Alexander Wolf und ging vom Begriff der „Stolpersteine” aus, die eine Schule in aller Regel ihren Schülern aus dem Weg räumt. Heute sei jedoch ein Tag, wo St. Stephan aus geschichtlichem Bewusstsein heraus mitwirkt, einen Stolperstein zu legen, um gegen Unmenschlichkeit, Unrecht und gegen das Vergessen ein Zeichen zu setzen.
Während an der Verlegestelle mit Meißel, Kelle, Kies, Zement und Wasser gearbeitet wurde, musizierten David und Philipp Schwarz Musik aus dem Film „Schindlers Liste”. Zwei Stimmen aus der Abiturklasse, Mesude Erdem und Leon Schwede, trugen eine detailreiche Biographie Edmund Aulls vor. Neben der bewegenden Geschichte des jungen Mannes, den sein fürsorglicher Schulleiter P. Gregor Lang OSB im Sommer 1935 noch in Kaufbeuren besucht hatte, wurde in den Einblicken und Quellenausschnitten auch deutlich, wie die sogenannte „dezentrale Euthanasie” und ihre inhumanen Methoden mit Kranken verfuhr. Ein Musikstück von Leopold Fritsche am Akkordeon beschloss diesen tiefgreifenden Teil der Verlegung.
Eine Besucherin legte Blumen am Stolperstein nieder und auch Gunter Demnig nahm sich Informationsmaterial, das bereit lag, mit, ehe die Aktiven des Initiativkreises aufbrachen, um für weitere Opfer der NS-Medizin im Stadtgebiet mit Gunter Demnig Stolpersteine zu setzen. Gekommen war auch Ernst Aull, ein Neffe von Edmund Aull, der sich von Herzen für die Gedenkfeier bedankte.
Vielleicht kann auch dieser Stolperstein dazu beitragen, dass Unrecht und Leid, das Menschen bis heute Menschen zufügen, ins Bewusstsein rücken und auf Widerstand stoßen.
Der Bayerische Rundfunk berichtete in seinem Online-Auftritt über den gesamten Stolperstein-Tag in Augsburg.