The grass is greener over there
Es war soweit: ENDLICH, nach Monaten des Wartens, durften wir unsere Austauschschülerinnen in Irland besuchen, nachdem sie im November bei uns zu Gast waren. Der Austausch (vom 23.3. bis 9.4.) war von meiner Mutter, einer gebürtigen Irin, und ihrer Schwester organisiert worden. Nur für mich, meine besten Freundinnen, meine Cousine und deren Freundinnen. Beim Besuch der irischen Mädchen in Deutschland sind schon richtig gute Freundschaften entstanden und wir zählten schon seit Wochen die Tage bis zu unserem Gegenbesuch in Roscommon. Nach einem tränenreichen Abschied – die Tränen kamen eher von unseren Eltern :D- in München flogen wir also nach Dublin und landeten wohlbehalten. Der erste Schock des Alleinreisens ereilte uns dann aber bereits am Gepäckband, als ein Koffer nicht auftauchte. Er kam zwar einige Tage später, aber das war schon ärgerlich. Zumindest hatte die Betroffene dann einen Grund zum Shoppen. Sonst ist aber alles wirklich glatt gelaufen und der erste Eindruck war sehr positiv.
Roscommon: Klein aber fein
Über die erste Woche kann ich nur aus meiner Perspektive berichten, denn die verbrachten wir jeweils in unseren Gastfamilien, was nicht heißt, dass wir nichts miteinander unternommen haben. In Irland steht die Tür generell jedem offen und da Roscommon nicht die größte Stadt der Welt ist, sitzt man quasi aufeinander. Ein Kaffee da, ein Treffen im Kino am nächsten Tag oder ein spontaner Stadtbummel (auch wenn es nur zwei „gute“ Läden gibt) bieten sich immer an. Viel hat Roscommon zwar wegen seiner Größe nicht zu bieten (es gibt für Jugendliche nur ein Schwimmbad, einen Jugendtreff, ein Kino und ein Bowlingcenter), man findet aber trotzdem immer etwas zu tun, wie etwa ein Gaelic football match, die Easter Parade, Strokestown House oder eben ein Kinofilm sowie zusammen essen gehen. Das Gaelic football match war sehr wichtig für Roscommon, denn sie sind das erste Mal seit Jahren auf Platz 1 der Liga (leider haben wir verloren); die Easter Parade ist auch eine große Attraktion am Ostersonntag, bei der lokale Firmen sich vorstellen, sie hat also keinen religiösen Hintergrund; Strokestown House ist eine Art Ausstellung über die potato famine, eine schlimme Hungersnot in Irland Anfang des 19. Jahrhunderts, die viele Iren dazu brachte, die geliebte Heimat zu verlassen und z.B. nach Amerika auszuwandern.
Mit meiner Gastfamilie allein war ich also nur abends oder zwischendurch, meistens waren auch noch sieben bis zwölf weitere Kinder da: Meine Gastmutter ist beruflich childminder, passt also auf Kinder berufstätiger Eltern auf. Es war zwar manchmal etwas laut, aber die Kinder waren wirklich totally adorable. Sonst waren wir während der Ferienwoche alle in Dublin beim Shoppen (bei Penney‚s, Boots und Debenham‚s) und Sightseeing und ich hatte einige Verwandtenbesuche zu absolvieren.
Survival skills im Schulalltag
Den ersten Schultag habe ich dann leider verpasst, weil ich auf eine Beerdigung gehen musste. Am Dienstag war dann auch ich in der Schule – und hatte gleich einmal Fächer wie „Community Care“, ein Besuch im Altenheim und „First Aid“. Aber das war noch gar nichts gegen den Mittwoch: Da hatten wir „Buchclub“ und „Road Safety“. Über die Woche hatten wir dann noch „Childcare“ ( jetzt weiß ich, was ich meinem Baby auf keinen Fall zu essen geben darf), „Life Skills“ ( wo man Kartenspielen lernt) und „Fund Raising“ (also Geld für einen guten Zweck sammeln, in unserem Fall hieß das ein einhalb Stunden für die „Irish Kidney Association“ bei gefühlt zwei Grad im Regen stehen). Normale Fächer wie Mathe, Englisch, Gälisch, Religion und „Business“ hatten wir dann zwar auch noch, viel gearbeitet und gelernt wurde dort aber nicht. Jetzt denken sich die meisten wahrscheinlich: Ab nach Irland, solche Fächer will ich auch, aber die sind eher die Ausnahme. Denn unsere Austauschschülerinnen machen zurzeit ein „Transition Year“. Im TY werden kaum Noten gemacht, und es findet zwischen den Jahren drei (bei uns die 9. Jahrgangsstufe) und fünf (bei uns die 11. Jahrgangsstufe) statt. Es dient zur Berufs- und Persönlichkeitsfindung und zur Erholung, bevor man dann zwei stressige zum Abitur führende Jahre durchläuft. Sonstige Unterschiede zu unserer Schule sind, dass jede Jahrgangsstufe ihren eigenen Raum für Pausen hat, es keine Jungs gibt, alle eine Uniform tragen und dass jeder Lehrer ein Zimmer hat, zu dem die Schüler dann jeweils wandern. Oh und, dass man auf dem Gang immer nur rechts gehen darf. Ziemlich intelligent eigentlich.
Und, zack, waren zwei Wochen vorbei. Keiner von uns wollte gehen und es wollte uns auch keiner gehen lassen. Mit dem Gedanken, unseren Flieger einfach „aus Versehen“ zu verpassen, haben wir zwar auch gespielt, aber irgendwie hat dann doch die Vorfreude, unsere Familien wiederzusehen, überwogen. Vor allem, da am nächsten Tag der Abschlussball des Tanzkurses anstand. So stiegen wir also doch in den Flieger und sind, Gott sei Dank, sicher und mit allen Koffern in München gelandet – in der Hoffnung, dass wir sie alle bald wiedersehen werden.
Ich denke, ich kann für uns alle sprechen, wenn ich sage: We had the time of our lives.