Tiefgreifendes, atemberaubendes Theater

  • Die Jugend-Gang im Park ist die Urszene” von Fixed”: Auf der Suche nach Lebendigkeit in einem herzlosen Alltag erweisen sich Hohn, Spott, Verachtung und Ausgrenzungen aller Art als das ideale Bindemittel”.
  • Überraschend tritt die junge Pam aus der Gruppe hervor: Sie sucht selbstbewusst und lebenshungrig Liebe und einen emotionalen Kick” – mit Len.
  • Len (Joseph Kolland) ist fasziniert von Pam (Frieda Rothe) und lässt sich bedingungslos auf sie ein: Das ist für die seelisch kalte Pam schon zu viel des Guten.
  • Die inneren Stimmen” des Paares legen bereits ganz früh die inneren Brüche frei, unter denen Lens und Pams Liebesbeziehung startet.
  • Auch die Gang tut sich – auf ihre Weise – mit Len schwer, der plötzlich Pams Mutter, die auch noch seine Vermieterin geworden ist, beim Tragen der Einkaufstaschen hilft.
  • In der Wohnung wird die Stimmung immer frostiger und unerträglicher, denn Pam hat sich mittlerweile …
  • … dem Nichtsnutz Fred (Vincent Fendt) zugewandt: Vater Harry (Johannes Simmons) schweigt, Mutter Mary (Clara von Mirbach) schmollt, Len versucht zu reden.
  • Pam hat mittlerweile ein Kind – vom ebenso gefühlskalten Fred. Im Park kommt es zu einem Exzess der Langeweile”.
  • Die machen nur Spaß!”, lautet die beschwichtigende Formel, doch Pams und Freds Baby bezahlt diese Gefühllosigkeit mit dem Leben.

Licht aus und Bühne frei! Mit lauten Basstönen und Schlagzeug beginnt das Theaterstück Fixed“ in der Großen Aula des Gymnasiums bei St. Stephan. Für eine Stunde verwandelt sich die extra aufgestellte Bühne auf dem Boden der Turnhalle in den Schauplatz eines atemberaubenden Theaterstücks. Das von der Theatergruppe der Oberstufe unter Leitung von StD Matthias Ferber präsentierte Stück Fixed“ nach Motiven von Edward Bond (* 1934, † 2024) konfrontiert das Publikum mit einer destabilisierten und in Zwietracht geratenen Situation, die niemanden kalt lässt. Einen schnellen Ausweg scheint es hier nicht zu geben. Durch die musikalische Live-Untermalung von Perkussionist Adrian Sommer (11. Klasse) wird das Stück zu einer eindrucksvollen Darbietung.

Mit einer lauten und direkten Einführung einer Gruppe aus Jugendlichen oder jungen Erwachsenen beginnt das Stück wortwörtlich mit einem Knall. Sofort wird die Mentalität der Mitglieder sichtbar: jung, draufgängerisch und radikal ablehnend gegenüber den Eltern und der Polizei. Als dann aber die Liebe zwischen den Protagonisten Pamela und Lennard dazukommt, nehmen die Schwierigkeiten in den Beziehungen zu Freunden und Eltern immer weiter zu. Ein Kind, bei dem niemand so genau weiß, von wem es stammt, bringt das Fass endgültig zum Überlaufen. Der Stress im Elternhaus, mit Freunden und dem ehemaligen Liebhaber ist für Pamela nicht auszuhalten. Sind ihre Beziehungen noch zu retten oder ist inzwischen alles verloren?

  • Der Zorn der Öffentlichkeit entlädt sich auf Fred, der sich aber nur als trotziges, gekränktes Opfer wahrnehmen kann.
  • Pam, die Fred im Gefängnis besucht, leidet ebenfalls nicht am Tod ihres nie emotional angenommenen Kindes. Sie sorgt sich voller Schrecken um den ebenso in sich selbst verstrickten Fred.
  • Wenige Jahre später ist Fred frei – und hat sich zum Boss” der Jugend-Gang aufgeschwungen. Pam hängt noch immer an ihm und spürt gar nicht, wie sie zwischen dem fürsorglich-übergeduldigen Len und dem emotionslos-herablassenden Fred zerrieben wird.
  • Len verzweifelt: Er hätte sich dem Kind gewidmet, er hätte Pam Geborgenheit geschenkt, er hätte für ein gemeinsames Leben gekämpft …
  • … aber geblieben sind nur die Trümmer der Verachtung, des Schweigens und der Lieblosigkeit.
  • Als der stoisch schweigende Vater Harry seinen Mund aufmacht, eskaliert die Situation restlos …
  • … Ohrfeigen knallen, Blut fließt und ein Stuhl fliegt. Das jahrelang aufrecht erhaltene, beklemmende Konstrukt einer Familie” implodiert endgültig.

Das Stück wirft viele Fragen auf, deren Konfrontation zunächst anstrengend wirkt. Das Publikum wird schlagartig in eine extrem instabile Situation geworfen, in der vieles im Argen liegt. Die Probleme einer jugendlichen, draufgängerischen Pam“ sind dabei ebenso nachvollziehbar wie abstoßend. Das Stück führt zu einem interessanten Wechselspiel vom Fortschreiten und Ausweiten der Konflikte und der Fragestellung, wer oder was eigentlich Schuld an den Geschehnissen hat. Dass diese Frage sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich eindeutig zu beantworten ist, wird schnell klar. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ist die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Problemen und Situationen wie dieser für unser tägliches Zusammenleben von Bedeutung. Das Stück hilft den Zuschauerinnen und Zuschauern dabei, den Konfliktsituationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu begegnen und dadurch zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Die gesellschaftliche Frage, wie wir rebellischen“ Jugendlichen begegnen können, steht dabei stets im Mittelpunkt. Durch die Rolle der Gruppe mit ihrem Anführer Fred wird besonders deutlich, dass ein schneller Sinneswandel durch Konfrontation oder Konfliktlösung außer Frage steht.

  • Doch Len beschließt zu bleiben – und repariert den Stuhl: Fixed” heißt, dass noch immer Reste von Halt zu finden sind, wenn man sich auf die Suche macht.
  • Am Ende bleibt ein letztes Licht in einer dunklen Welt.

Auch wenn im Theaterstück die Konflikte nicht gelöst werden können, bleibt doch ein Funken Hoffnung auf eine Stabilisierung und Reparatur der Verhältnisse. Auf das echte Leben übertragen gibt es mir die Gewissheit, dass selbst die schwierigsten und heftigsten Konflikte ein Ende finden können, wenn dies auch nicht immer leicht erreichbar ist. Konflikte sind in unserer Welt immer präsent, wir können uns ihnen nicht entziehen. Die allgemeine Frage ist also nicht, wie wir die Konflikte am einfachsten lösen, sondern wie wir mit ihnen umgehen und uns ihnen aussetzen können. Darauf gibt das Stück keine Antwort, der Zuhörer selbst ist also gefragt. Eines ist jedoch klar: Durch großartige schauspielerische Leistung und viel Engagement wurde die Aufführung für jeden Einzelnen zu einem besonderen Erlebnis.

  • Für das 12-köpfige Ensemble gab es nach den Gefühlswelten von Verstörung, Beklemmung, Erschütterung und Aufruhr gegen völlige Hoffnungslosigkeit großen Applaus vom zahlreich erschienenen Publikum.
  • Adrian Sommer hatte als Live-Percussionist mit Sounds und Rhythmen von Computer, Schlagzeug und Vibraphon die Gefühlswelten hochsensibel mitbegleitet und erhielt verdienten Applaus für seine feinfühligen Improvisationen.
  • Spielleiter Matthias Ferber konnten den großen Dank nur an seine Schauspielerinnen und Schauspieler zurückgeben.