Wer den „Jasager“ macht, muss auch den „Neinsager“ inszenieren
Das Licht geht aus und der Beifall brandet auf in der gut gefüllten Halle C1 im Martinipark: Strahlen, Erleichterung und Stolz auf das Geleistete ist den Gesichtern der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrerinnen und Lehrer abzulesen. Der Applaus und die „Bravo“-Rufe wollen kaum enden: Wohlverdiente Anerkennung nach wochenlangen Proben und großer Aufregung vor den beiden Vorstellungen. Gegeben wurde der „Jasager“ (eine Schuloper in zwei Akten, Musik: Kurt Weill, Text: Bertolt Brecht) und der „Neinsager“, ein Lehrstück nach Bertolt Brecht. Es gab mehrere Besonderheiten bei diesem Projekt: Zum einen war es eine Kooperation des Brechtfestivals Augsburg mit unserer Schule und damit auch verbunden die Besonderheit und Ehre, dass wir am Eröffnungsabend des Brechtfestivals im Martinipark auftreten durften, zum anderen war es ein generationenübergreifendes Projekt der Schulfamilie, indem der „Jasager“ (halbszenisch) von den Schülerinnen und Schülern unter der musikalischen Leitung von Ulrich Graba und der „Neinsager“ von Eltern unter der Regie von Philipp von Mirbach zur Aufführung gebracht wurden.
Starke Solostimmen und eine souveräne Chorleistung
Nicht nur der Chor steigerte sich in der letzten Woche noch einmal hin zum Aufführungstermin, auch jegliche Heiserkeit und stimmliche Beeinträchtigung bei den Solisten Selma Jakić, Emil Greiter, Samuel Winckler, Jonas Dorn, Kristian Karg und Elias Friedel war rechtzeitig zum Freitag vergessen. Bestens vorbereitet durch die Augsburger Domsingknaben und durch die Stimmbildnerin an unserer Schule, Dobrochna Payer, und unter der gewohnt souveränen musikalischen Leitung von Ulrich Graba wuchsen sie alle über sich hinaus und meisterten hervorragend selbst die oft recht komplizierten Ensemblestücke. Eine beeindruckende Leistung des gesamten Ensembles!
Wer A sagt, muss nicht B sagen
Im „Jasager“ unterwirft sich der Knabe, der mit dem Lehrer und Studenten auf eine gefährliche Wanderung über die Berge geht, um in der großen Stadt für seine kranke Mutter Medizin zu holen, als er selber nicht mehr weiter kann, einem „großen Brauch“ und erleidet den Opfertod, um die Mission als solche zu sichern. Diesem „Einverständnis“ hat Brecht selbst im „Neinsager“ ein Gegenbild zur Seite gestellt. Dieses Theaterstück, das Weill nicht vertont hat, hat eine Gruppe von Schülereltern im Anschluss auf die Bühne gebracht.
Die Inszenierung von Philipp von Mirbach stellt mit einigen schlichten, aber sehr wirkungsvollen theatralen Mitteln den Text in den Mittelpunkt, der bis zu dem Punkt der Entscheidung dem des „Jasagers“ entspricht. Dann nimmt die Geschichte eine andere Wendung, indem das Kind beredt vorschlägt, einen neuen Brauch einzuführen: „Wer A sagt, muss nicht B sagen.“ Nur weil der Knabe einmal ja zur Wanderung gesagt hat, heißt das nicht, dass er jetzt in dem Moment, wo sich die Sachlage geändert hat, auch zu allem – insbesondere zu seiner Opferung – ja sagen möchte.
Das Erstaunliche: Die Studenten – und der Lehrer lässt ihnen da freie Hand – gehen auf den Vorschlag ein. Und obwohl mit Häme ob der offenkundigen Feigheit bei der Rückkehr zu rechnen ist, dreht die Wandergesellschaft um: Das Leben des Knaben wird gerettet durch seinen Einspruch! Die Eltern zeigten mit viel Engagement und Spielwitz, dass sie mit großer Begeisterung das Projekt angegangen sind und es souverän gemeistert haben.
Eigene Idee der Inszenierung
Dass danach – und das war eine originelle Idee der Inszenierung, ist so von Brecht nicht vorgesehen – noch einmal der Eingangschor des Jasagers erklungen ist, machte deutlich, dass das eine Stück ohne das andere nicht zu denken ist, genau wie in einer Schulgemeinschaft Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler nicht ohne einander auskommen.