Wie ticken Stephaner politisch?

  • Cicero”, das Magazin für politische Kultur”, wollte erkunden, wie Deutschlands Schüler politisch ticken: Ein Besuch an St. Stephan sollte dabei helfen, hier mit den vier Schülersprecherinnen Emma, Livia, Frieda und Denisha. (Bildquelle: Cicero)

Es ist ein 10-seitiger Beitrag im Magazin für politische Kultur” – so nennt sich der monatlich erscheinende Cicero” – und er will erkunden, wie Deutschlands Jugend politisch tickt. Herausgekommen ist ein exemplarischer Blick unter deutschen Schulen, zu denen auch St. Stephan zählt.

Bei der vergangenen Europa-Wahl wurde die AfD bei den 16- bis 18-jährigen in Deutschland stärkste Kraft. Zum Schrecken der etablierten Parteien. Doch gibt es unter Schülern wirklich einen so großen Rechtsruck? Eine Antwortsuche.” So wird im Online-Auftritt von Cicero der Beitrag angekündigt. Das Magazin gilt als konservativ, meinungsbildend und durchaus auch konfrontativ, Schulleiter Alexander Wolf nahm die Anfrage des Nachwuchsjournalisten Felix Huber aber gerne an, als er sich mit seinem Rechercheanliegen an die Schulleitung wandte.

Der Beitrag macht sich an mehreren Schulen in Deutschland auf eine Spurensuche: Neben dem Gymnasium bei St. Stephan in Bayern (dessen komplexe Geschichte als rein staatliche Schule mit klösterlich-benediktinischer Anbindung” nicht recht sichtbar wird) ist es vor allem das Berliner Paul-Natorp-Gymnasium, das beleuchtet wird. Als weitere Berliner Schule ist das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neukölln im Blick, das ein hoher Anteil migrantischer Schüler prägt. In Niedersachsen wird der Verdener Campus besucht, wo bei Junior-Wahlen zur Europawahl 2024 der 9. Klassen die AfD 27 Prozent geholt hatte. Und Schüler einer Sekundarschule in Bottrop in Nordrhein-Westfalen kommen zu Wort.

Das Bild, das entsteht, deckt sich wohl ziemlich mit der bundesdeutschen Wirklichkeit: Keine Schule ist wie die andere, ein flächendeckender Rechtsruck von Schülerinnen und Schülern ist nicht zu verzeichnen, wohl aber starke Tendenzen an den unterschiedlichsten Orten. St. Stephan wird wahrgenommen als eine Schule mit hohem politischen und staatsbürgerlichem Engagement bei den Schülern, wobei auch hier wieder unterschieden wird zwischen Meinungsäußerungen im Klassenzimmer (Stichworte wie Politiker reden viel Scheiße” oder Schon wieder Klimawandel!”) und der aktiven SMV – die leider auf das Mädchenquartett von Emma, Livia, Frieda und Denisha verkürzt wird. Samuel und Joseph, die zum Schülersprecher-Team 2023/24 gehören, bleiben unsichtbar.

Einen bemerkenswerten Auftritt” im Text und in der Fotostrecke (die mehr als die Hälfte der zehn Seiten füllt) hat auch Schulleiter Alexander Wolf: Er residiert hinter einer großen, schweren Holztür” und versucht, Zeitgenossenschaft statt nur Tradition” zu leben. Das ist fast ein bisschen putzig: Könnte eine Schule wirklich einfach stehen bleiben und ganz in der Vergangenheit agieren? Und wer sagt eigentlich, dass eine christlich-konservative Schulvergangenheit nicht bewahrenswert ist? Jedenfalls zeichnet St. Stephan – auch mit seinen Juniorwahlergebnissen vom Frühjahr 2024noch ein friedliches Bild” ohne Rechtsruck”. Hier wird konstatiert, dass die Schüler mitbestimmen, sich klar gegen Antisemitismus positioniert haben – die Aktion gegen die Beschmierung des Kletter-Eies am Holocaust-Gedenktag 2024 wird ausführlich beleuchtet – und ihre Zukunft positiv und gelassen” sehen.

Ob das Bild, das in der Juli-Ausgabe des Cicero” von St. Stephan gezeichnet wird, wirklich stimmt, bleibt die Frage. Zwei Tendenzen jedenfalls prägen den Beitrag: Mit der Senkung des Wahlalters werden die Wahlergebnisse in Deutschland doch tatsächlich nicht automatisch grüner. Und da sind die Lehrer, die nicht so recht Bescheid wissen über ihre Schülerinnen und Schüler. So ganz kann man sich als Leser an diesen Punkten nicht dem Gefühl entziehen, dass der Cicero” auch nicht ganz vorurteilsfrei ans Werk geht. Eine bedenkenswerte Botschaft steckt freilich im Subtext des Artikels: Wo junge Menschen sich einbringen, Verantwortung übernehmen und zulassen, eigene Empfindung mit der Wirklichkeit zu messen, dort finden sie in ein komplexeres Weltbild hinein.

Immerhin hat ein Journalist sich unsere Schule mal genauer und hintergründiger angeschaut … – weshalb wir den verlinkten Beitrag Frust am Whiteboard” zur Lektüre gerne empfehlen.